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Frieden mit Äthiopien Warum Eritreas Präsident den Frieden braucht

Eritrea und Äthiopien beschliessen den Frieden. Dabei war die äussere Bedrohung für Eritreas Präsident Isaias Afewerki ein wirksames innenpolitisches Druckmittel. Jetzt sucht er den Schulterschluss mit dem vormals verhassten Nachbarland. Ein Sicherheitsexperte glaubt, die Gründe dafür zu kennen.

Eritrea gilt als einer der repressivsten Staaten der Welt. Es gibt keine Verfassung, keine freien Medien oder Zivilgesellschaft, Wahlen haben noch nie stattgefunden. Seit der Unabhängigkeit von Äthiopien vor 25 Jahren regiert ein und derselbe Mann: Isaias Afewerki. Und über all die Jahre hatte er ein Feindbild: Nachbar Äthiopien.

Die Kriegsbedrohung durch Äthiopien hat den eritreischen Machthaber dazu veranlasst, alle Eritreerinnen und Eritreer ins Militär einzuziehen und auf unbestimmte Zeit Nationaldienst leisten zu lassen. Bei den Eritreern in der Diaspora werden Steuern eingetrieben, um das kriegsgeplagte Land aufzubauen.

Wenn er sich als Verteidiger der Nation und als Friedensstifter darstellen kann, dann rettet ihn das vielleicht ein paar Jahre.
Autor: Abebe Aynete Sicherheitsexperte

Durch einen möglichen Frieden mit Äthiopien bricht dieses Konstrukt zusammen. Warum also lässt sich der eritreische Machthaber dennoch auf Friedensgespräche ein? Für den äthiopischen Friedens- und Sicherheitsexperten Abebe Aynete versucht Isaias Afewerki so sein politisches Überleben zu sichern: «Dadurch versucht Isaias sich seinem Volk gegenüber zu legitimieren. Wenn er sich als Verteidiger der Nation und als Friedensstifter darstellen kann, dann rettet ihn das vielleicht ein paar Jahre – Isaias ist über 70 Jahre alt. Nur so kann er politisch überleben.»

Abebe Aynete

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Abebe Aynete forscht an der Universität Addis Abeba zu den diplomatischen Beziehungen Äthiopiens. Als Leiter der Friedens- und Sicherheitsabteilung des Think Tanks «Ethiopian International Institute for Peace and Development» berät er die äthiopische Regierung.

Denn Afewerki hat ein Problem. Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung haben mittlerweile wegen seinem diktatorischen Regierungsstil das Land verlassen. Auch weil die eritreische Wirtschaft praktisch inexistent ist. Unter diesen Umständen weiterhin die teuren Truppen an der Grenze zu finanzieren, sei für den eritreischen Präsidenten zunehmend zum Problem geworden, so Aynete.

«Die Militärausgaben sind hoch. Abgesehen von ein paar Rohstofffirmen, gibt es kein Investment, keine wirtschaftliche Aktivität. Unter diesen Umständen sind die Militärausgaben eine hohe Bürde.»

Veränderungen in Äthiopien spürt auch Eritrea

Und dann kamen die Entwicklungen in Äthiopien. Vor drei Monaten kam dort mit Abiy Ahmed ein neuer Premierminister an die Macht. Das machte einen Dialog für Eritrea erst denkbar, weil Ahmed die alte, vom eritreischen Präsidenten so verhasste, äthiopische Reigerungselite entmachtete. Der Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea fusste auf der Rivalität zwischen dem äthiopischen Ex-Präsidenten Meles Zenawi und Eritreas Isayas Afewerki.

Eritrea und Äthiopien mit den markierten Hauptstädten.
Legende: Viele Opfer hat der Konflikt der beiden Nachbarländern gekostet. Kehrt nun Frieden ein? SRF

Doch der rasante Reformkurs unter dem neuen Premier Abiy Ahmed in Äthiopien stellte Eritrea vor eine grosse Herausforderung, so Friedensforscher Aynete: «Oppositionsgruppen, welche bis vor kurzem noch als Terroristen bezeichnet wurden in Äthiopien, fanden jahrelang Unterschlupf in Eritrea. Nun gehen sie zurück nach Äthiopien, um Teil der Reformen zu sein, um in Äthiopien die Demokratie voranzutreiben. Aber diese Gruppen wissen alles über das eritreische Regime. Das könnte zum Sicherheitsrisiko werden für Isaias Afewerki.»

Ausserdem befürchte der eritreische Präsident wohl auch, dass seine Bürgerinnen und Bürger von Äthiopien inspiriert werden könnten und ebenfalls auf die Strasse gehen. In Äthiopien scheinen die Volksproteste der letzten drei Jahre nun ja zu einer politischen Öffnung zu führen – das wünschen sich die Eritreer auch.

Die eritreische Diaspora wird kein Geld mehr überweisen, wenn kein Krieg mehr herrsche mit Äthiopien.
Autor: Abebe Aynete Sicherheitsexperte

Und so ist Friedensexperte Abebe Aynete auch der Meinung, dass der Friede mit Äthiopien Isaias Afewerki zu Reformen drängen werde: «Er muss. Sonst wird er politisch nicht überleben. Die eritreische Diaspora wird kein Geld mehr überweisen, wenn kein Krieg mehr herrscht mit Äthiopien. Und diese Leute wollten zurückkehren nach Eritrea.»

Wie der eritreische Machthaber Isaias Afewerki den Konflikt mit Äthiopien handhabt, wird also darüber entscheiden wie es mit ihm und Eritrea weitergeht.

Blutiger Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien

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  • Eritrea hat 1993 nach einem drei Jahrzehnte währenden Konflikt die Unabhängigkeit von Äthiopien erklärt.
  • Von 1998 bis 2000 führten die beiden Länder einen Krieg gegeneinander, der rund 80'000 Menschenleben kostete.
  • In der Waffenstillstandsvereinbarung vom Dezember 2000 einigten sich beide Länder darauf, den Verlauf der tausend Kilometer langen gemeinsamen Grenze von einer internationalen Kommission bestimmen zu lassen.
  • Die Spannungen dauerten aber an wegen der Weigerung Äthiopiens, den Schiedsspruch von 2002 zu akzeptieren. Immer wieder kam es zu Scharmützeln mit mehreren hundert Opfern.

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