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Früherer Studentenanführer Gabriel Boric gewinnt Schicksalswahl in Chile

  • In Chile ist Gabriel Boric zum neuen Präsidenten gewählt worden. Der linke Kandidat kam nach der Auszählung von fast allen Stimmen auf knapp 56 Prozent.
  • Sein Gegner, der rechtsgerichtete José Antonio Kast, erkannte seine Niederlage an.
  • Die Wahl galt als grundlegende Entscheidung, in welche Richtung sich das Land entwickeln soll.

Der Kandidat des linken Wahlbündnisses «Apruebo Dignidad» (dt. «Ich stimme der Würde zu») kam in der Stichwahl am Sonntag auf knapp 56 Prozent. Der deutschstämmige Rechtspopulist José Antonio Kast erhielt gut 44 Prozent der Stimmen und gratulierte seinem Konkurrenten zum Sieg. Die Wahl galt aufgrund der gewaltigen politischen Kluft zwischen beiden Kandidaten als Zäsur, vielen sogar als wichtigste Wahl seit Chiles Rückkehr zur Demokratie 1990.

Wiederbelebte Linke

Boric, der aus Punta Arenas an der Südspitze des Landes stammt, hatte 2011 die Studentenproteste in Chile angeführt und war 2013 zum Abgeordneten gewählt worden. Im ersten Wahlgang vor vier Wochen belegte er knapp hinter Kast Platz zwei.

Ich werde der Präsident aller Chileninnen und Chilenen sein.
Autor: Gabriel Boric Frisch gewählter Präsident von Chile

Mit ihm kommt auch eine neue politische Generation in den Präsidentenpalast: Er steht für eine wiederbelebte progressive Linke, die vor allem seit 2019 stark gewachsen ist. Unter seiner Führung dürfte das Land den eingeschlagenen Kurs gesellschaftlicher Öffnung beibehalten.

Boric vor seiner Siegesrede.
Legende: Boric vor seiner Siegesrede. Keystone

Tausende feierten, angezogen von seiner ersten Rede auf der Hauptverkehrsstrasse Alameda in der Hauptstadt Santiago de Chile und in anderen Städten. Boric versicherte seinen Landsleuten, er wolle die im Wahlkampf offen zutage getretenen Gräben zwischen Rechts und Links überbrücken: «Ich werde der Präsident aller Chileninnen und Chilenen sein.»

Für bessere Bildung und Gesundheitsversorgung

Boric hat ein öffentliches Bildungswesen und bessere Gesundheitsversorgung nach dem Vorbild des europäischen Sozialstaats versprochen. Zudem setzt er sich für die Rechte von Migranten, Indigenen und Homosexuellen ein.

Sein 20 Jahre älterer Rivale Kast hingegen hatte Steuersenkungen, einen Grenzgraben gegen illegale Einwanderung und hartes Vorgehen gegen Kriminelle in Aussicht gestellt. Der neunfache Vater und strenggläubige Katholik von der Republikanischen Partei gilt als Sympathisant des früheren Diktators Augusto Pinochet.

Gratulationen vom bisherigen Präsidenten und dem Konkurrenten

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Chiles Präsident Sebastián Piñera trägt eine Maske und hält seinen Stimmzettel hoch.
Legende: Chiles bisheriger Präsident Sebastián Piñera bei der Wahl. Keystone

Chiles bisheriger Präsident Sebastián Piñera hat dem Linkskandidaten Gabriel Boric zum Sieg bei der Präsidentenwahl im südamerikanischen Land gratuliert. In einer kurzen Ansprache wünschte der Konservative der künftigen Regierung «den allergrössten Erfolg». «Sie werden der Präsident aller Chilenen sein und werden den Auftrag haben, alle unsere Landsleute zusammenzuführen», schrieb Piñera auf Twitter. Der Konservative war schon von 2010 bis 2014 Präsident. 2018 trat er eine zweite Amtszeit an.

Zuvor hatte schon der unterlegene Kandidat der Rechten, José Antonio Kast , Boric zum Wahlsieg gratuliert. «Seit heute ist er der gewählte Präsident von Chile und verdient unseren Respekt und unsere konstruktive Mitwirkung», schrieb er auf Twitter.

Vor zwei Jahren forderten über Wochen hinweg jeden Tag Tausende Demonstranten soziale Reformen und den Rücktritt von Präsident Sebastián Piñera. Eine ihrer wichtigsten Forderungen konnten sie bereits durchsetzen: Derzeit arbeitet ein Konvent eine neue Verfassung aus. Der aktuelle Text stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur von Pinochet (1973-1990). 

Insgesamt waren in Chile rund 15 Millionen Menschen wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 55 Prozent. Der Amtsantritt des neuen Staatschefs ist für März vorgesehen.

Musterbeispiel der Region

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Chile gilt als eine Art Musterbeispiel in der Region. Das Land hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Südamerika, die Armut konnte in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesenkt werden. Doch die soziale Schere klafft weit auseinander. Weite Teile des Gesundheits- und Bildungswesens sind privatisiert, immer mehr Chileninnen und Chilenen fühlen sich abgehängt.

SRF 4 News, 20.12.2021; Heute Morgen, 06:00 Uhr ; 

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