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G20-Gipfel in Hamburg «Wir haben die Gefahr nicht unterschätzt»

Die Krawalle hallen nach. Bürgermeister Olaf Scholz steht in der Kritik. Er reagiert mit Rechtfertigungen.

  • Polizei und Opposition kritisieren Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz scharf. Die Lagebeurteilung sei falsch gewesen.
  • Der SPD-Politiker wehrt sich und verspricht den Opfern schnelle Hilfe.
  • Auch am letzten G20-Tag hat es Demonstrationen gegeben. Zehntausende zogen mehrheitlich friedlich durch die Stadt.
  • Zu Auseinandersetzungen kam es mit rund 120 Vermummten. Wasserwerfer standen im Einsatz.

Mehr als 200 verletzte Polizisten und erheblicher Sachschaden: Hamburg hat schwere Tage hinter sich. Die Gewerkschaft der Polizei findet dafür klare Worte: «G20: Eine solche Nacht darf sich in unserem Rechtsstaat nicht wiederholen!», twitterte sie. CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach von «bürgerkriegsähnlichen Zuständen».

Hamburgs CDU-Oppositionschef André Trepoll warf Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor, bei der Einschätzung der Sicherheitslage rund um den G20-Gipfel versagt zu haben. Die Lagebewertung des rot-grünen Senats habe sich bereits am ersten Tag als völlig falsch erwiesen. «Wie kam es zu der Einschätzung, man könne den Gipfel mit dem Hafengeburtstag gleichsetzen?» Weshalb Scholz seine «markige Sicherheitsgarantie» für den Gipfel nicht habe halten können, müsse im Zentrum der politischen Aufarbeitung stehen.

«Wir haben die Gefahr nicht unterschätzt», erklärte Scholz hingegen beim deutschen TV-Sender ZDF. Es sei auch kein Fehler gewesen, den Gipfel in Hamburg auszurichten. «Denn es muss so sein, dass in demokratischen Staaten und weltoffenen Städten wie Hamburg so etwas stattfinden kann», sagte Scholz. Es sei aber ganz klar: «Das sind keine guten Bilder. Das hätte sich nicht ereignen sollen. Und wir sind alle sehr bedrückt», sagte der SPD-Politiker. Den Geschädigten solle schnell geholfen werden und die Gewalttäter müssten «sehr harte, sehr schwere Strafen» erhalten.

Letzte Demonstrationen beendet

Bei der von Linken ausgerichteten Kundgebung «Grenzenlose Solidarität statt G20» haben sich nach Angaben der Polizei 50'000 Demonstranten beteiligt. Die Veranstalter sprachen von 76'000 Teilnehmern.

Frau inmitten einer Demostration mit Schil in der Hand, das die Aufschift trägt: «Gegen Gewalt, Hamburg ist friedelich»
Legende: Diese Demonstrantin hat eine klare Meinung zu den Gewaltexzessen und zeigt dies auch. Keystone

Bei der Kundgebung sei es teilweise zu Auseinandersetzungen mit etwa 120 linksextremen Vermummten gekommen, schrieb die Polizei. Die Beamten seien dabei massiv getreten und mit Fahnenstangen geschlagen worden. Die vermummten Teilnehmer des Aufzuges hätten später in alle Richtungen unerkannt entkommen können. Der Demonstrationszug setzte anschliessend den geplanten Weg fort.

Brennpunkt Schanzenviertel

Unterdessen kommen die Aufräumarbeiten nach den heftigen Ausschreitungen im linksalternativen Hamburger Schanzenviertel schnell voran. Die Proteste waren am späten Freitagabend eskaliert. Zunächst musste die Polizei die Randalierer mehrere Stunden lang an der Strasse Schulterblatt frei gewähren lassen.

Hilfe für Krawall-Opfer?

Box aufklappen Box zuklappen

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Opfern der Krawalle am Rande des G20-Gipfels eine Entschädigung zugesagt. Sie habe mit Finanzminister Wolfgang Schäuble abgesprochen, «dass wir prüfen werden, wie wir gemeinsam mit der Hansestadt Hamburg Opfer von Gewalt bei der Beseitigung der entstandenen Schäden helfen können», so Merkel.

«Es ging eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Polizeibeamten aus. Wir wollten nicht schlecht vorbereitet in das Schanzenviertel gehen und die Räumung nicht durchbekommen», erklärte ein Polizeisprecher.

Die Randalierer haben eine Spur der Verwüstung hinterlassen: Zerstörte Fahrräder, Mülltonnen, Steine und Trümmer lagen auf der Strasse, Fensterscheiben waren eingeschlagen.

In der Nacht zum Samstag seien 43 Menschen festgenommen und 96 in Gewahrsam genommen worden. Seit Beginn des Polizeieinsatzes am 22. Juni wurden den Polizeiangaben zufolge bisher insgesamt 143 Menschen fest- und 122 in Gewahrsam genommen. Zur Zahl der verletzten Demonstranten konnten weder Polizei noch Feuerwehr Angaben machen.

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