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Gedrückte Stimmung in Libanon Frust statt Feierlaune in Beirut

Die Faust auf dem Märtyrerplatz der Hauptstadt spricht Bände: An fröhliche Weihnachten ist dieses Jahr nicht zu denken.

Mit einem grossen Weihnachtsbaum auf dem Märtyrerplatz feierte Beirut letztes Jahr das christliche Fest. Dieses Jahr ist von friedlicher Vorweihnachtsstimmung im Land der 18 Religionsgemeinschaften nichts zu spüren: Massenproteste, Gewalt gegen Demonstranten und die Wirtschaftsmisere drücken auf die Stimmung.

Statt ein Christbaum steht zurzeit eine gut neun Meter hohe gereckte Holzfaust auf dem Märtyrerplatz. Erst kürzlich hat sie ein Unbekannter abgefackelt. Doch der Künstler, der sie gemacht hat, hat sie wieder ersetzt.

Revolution statt Weihnachten auf dem Märtyrerplatz in Beirut: Gereckte Faust statt Weihnachtsbaum. Davor ein Phönix aus den Stäben von zertrümmerten und abgebrannten Zelten. Immer wieder greifen Schlägertrupps die Demonstranten an und zerstören ihre Zelte.
Legende: Revolution statt Weihnachten auf dem Märtyrerplatz in Beirut: Gereckte Faust statt Weihnachtsbaum. Davor ein Phönix aus den Stäben von zertrümmerten und abgebrannten Zelten. Immer wieder greifen Schlägertrupps die Demonstranten an und zerstören ihre Zelte. SRF

Rund um die Faust stehen Zelte. «Hier schlafen wir», sagt der 58-jährige Habib, ein arbeitsloser Ingenieur. Er betont: «Ich bin Christ. Ein Sunnit, ein Druse und ein Schiit sind meine Zeltnachbarn.»

Die Vier kämpfen gemeinsam für eine Regierung, die sie nicht mehr gegeneinander aufhetzt. Sie wollen sogar zusammen Weihnachten feiern – auf diesem Platz. Aber nicht mit einem millionenteuren Weihnachtsbaumspektakel, wenn Geld für anderes fehle, sagt Habib.

Einige Demonstranten harren Tag und Nacht im Stadtzentrum von Beirut aus. Der Christ Habib zeltet hier mit einem Schiiten, einem Sunniten und einem Drusen.
Legende: Einige Demonstranten harren Tag und Nacht im Stadtzentrum von Beirut aus. Der Christ Habib zeltet hier mit einem Schiiten, einem Sunniten und einem Drusen. SRF

Habib hat Herzprobleme. Als Arbeitsloser kann er sich die Spital-Eintrittsgebühr von 500 Dollar jedoch nicht leisten. Auch deshalb trotzt er dem Regen und der sporadischen Gewalt von Protest-Gegnern. Für eine Revolution müsse man leiden, sagt Habib. Eine Veränderung herbeizuführen, sei nie einfach.

: Der arbeitslose Ingenieur Habib, 58, ist herzkrank und hat kein Geld fürs Spital. Seit Wochen zeltet er aus Protest auf dem Märtyrerplatz in Beirut.
Legende: «Für eine Revolution muss man leiden.»: Der arbeitslose Ingenieur Habib ist herzkrank und hat kein Geld fürs Spital. Seit Wochen zeltet er aus Protest auf dem Märtyrerplatz in Beirut. SRF

Aus einem teuren Geschäft unweit des Märtyrerplatzes erklingt Weihnachtsmusik. Weihnachtsstimmung kommt aber keine auf. «15 Geschäfte hier mussten bereits schliessen, weil die Kunden fehlen», sagt der 26-jährige Joe, der in einem Luxusartikelgeschäft arbeitet.

Finanzkrise und Proteste: dieses Geschäft im Zentrum Beiruts lockte in der Verzweiflung Kundschaft mit Rabatten von bis zu 90%. Es musste schliessen – wie viele andere Geschäfte auch.
Legende: Finanzkrise und Proteste: dieses Geschäft im Zentrum Beiruts lockte in der Verzweiflung Kundschaft mit Extrem-Rabatten. Es musste schliessen – wie viele andere Geschäfte auch. SRF

Joe sitzt mit dem 64-jährigen Uhrenmacher Roger auf einer Bank und trinkt Kaffee. Sie vermissen den grossen Weihnachtsbaum: «Kein Baum, gar nichts - und in zwei Wochen ist Weihnachten», sagen die beiden.

Zerstörtes Geschäft im Stadtzentrum Beiruts: seit fast drei Monaten sind die Proteste gegen die Regierung mehrheitlich friedlich. Zu Gewalt kommt es vor allem bei Zusammenstössen von Anhängern der Hisbollah- und Amal-Milizen und den Demonstranten.
Legende: Zerstörtes Geschäft im Stadtzentrum Beiruts: seit fast drei Monaten sind die Proteste gegen die Regierung mehrheitlich friedlich. Zu Gewalt kommt es vor allem bei Zusammenstössen von Anhängern der Hisbollah- und Amal-Milizen und den Demonstranten. SRF

Das Weihnachtsgeschäft läuft schlecht. Denn wegen der Krise haben Banken die Limite für Bezüge an Bankomaten auf umgerechnet zwei bis dreihundert Franken pro Woche limitiert. Baschir, der mit ein paar Freunden Wasserpfeife raucht, befürchtet das Schlimmste: «In spätestens zwei Monaten werden die Banken ganz zumachen», meint er.

Im Stadtzentrum Beiruts können sich die teuersten Geschäfte noch über Wasser halten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise und die andauernden Proteste dämpfen aber das Weihnachtsgeschäft.
Legende: Im Stadtzentrum Beiruts können sich die teuersten Geschäfte noch über Wasser halten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise und die andauernden Proteste dämpfen aber das Weihnachtsgeschäft. SRF

Ein Pfannenbaum mit den Wünschen der Menschen

Unter diesen Umständen würde es ein grosser Teil der libanesischen Bevölkerung nicht goutieren, wenn die Behörden eine teure Christbaumzeremonie veranstalten würden.

Einen etwas anderen Weihnachtsbaum soll es aber trotzdem geben. In ihrem Atelier im schicken christlichen Ashrafie-Quartier baut die Künstlerin Hayat Nazer einen Weihnachtsbaum aus alten Pfannen: «Menschen aus dem ganzen Land schicken uns eine alte Pfanne, auf der sie ihren Namen schreiben, woher sie kommen und was sie sich für Libanon wünschen», sagt Nazer.

Künstlerin Hayat Nazer mit Hund Pucci in ihrem Atelier in Beirut. Sie hat Libanesinnen und Libanesen aufgefordert, alte Pfannen mit ihrem Namen, Wohnort und ihren Wünschen für Libanon zu  bemalen. Daraus will sie einen Weihnachtsbaum bauen, der ein Zeichen für Einigkeit und Frieden setzt.
Legende: Künstlerin Hayat Nazer mit Hund Pucci in ihrem Atelier in Beirut. Sie hat Libanesinnen und Libanesen aufgefordert, alte Pfannen mit ihrem Namen, Wohnort und ihren Wünschen für Libanon zu bemalen. Daraus will sie einen Weihnachtsbaum bauen, der ein Zeichen für Einigkeit und Frieden setzt. SRF

Das Atelier der Künstlerin ist voll von Pfannen. Junge, Alte, Arme, Reiche, Muslime, Christinnen – sogar Libanesen, die im Ausland leben – machen mit. Mit dem Projekt, das auf den sozialen Medien ein grosses Thema ist, will Hyat Nazer ein Zeichen setzen: «Wir wollen allen zeigen, wie kreativ wir Libanesinnen und Libanesen sind, und dass wir zusammenstehen. «Liebe und Einigkeit: Das sind unsere einzigen Waffen. Nur damit gewinnen wir», sagt Hayat Nazer.

Künstlerin Hayat Nazer in ihrem Atelier in Beirut. Sie hat Libanesinnen und Libanesen aufgefordert, alte Pfannen mit ihrem Namen, Wohnort und ihren Wünschen für Libanon zu  bemalen. Daraus will sie einen Weihnachtsbaum bauen, der ein Zeichen für Einigkeit und Frieden setzt.
Legende: Künstlerin Hayat Nazer in ihrem Atelier in Beirut. Sie hat Libanesinnen und Libanesen aufgefordert, alte Pfannen mit ihrem Namen, Wohnort und ihren Wünschen für Libanon zu bemalen. Daraus will sie einen Weihnachtsbaum bauen, der ein Zeichen für Einigkeit und Frieden setzt. SRF
Liebe und Einigkeit: Das sind unsere einzigen Waffen. Nur damit gewinnen wir.
Autor: Hayat Nazer. Künstlerin, Beirut

Auf dem Märtyrerplatz kann die Künstlerin im Moment nicht arbeiten. Die Gefahr, dass Schlägertrupps die Demonstranten angreifen, ist zu gross. Trotzdem hofft sie, dass ihr Pfannenbaum noch vor Weihnachten dort aufgebaut werden kann.

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