Das Makala-Gefängnis in Kinshasa ist eines der berüchtigtsten Haftanstalten im Kongo und völlig überbelegt. Immer wieder kommt es zu tödlichen Gewaltausbrüchen. Um die katastrophale Lage zu entschärfen, hat der kongolesische Justizminister Constant Mutamba Massenentlassungen angekündigt.
Bereits im September wurden über 300 Häftlinge freigelassen, Hunderte weitere sollen jetzt folgen. Die freie deutsche Journalistin Judith Raupp lebt im Kongo und schätzt die Situation im Land ein.
SRF: Was für ein Signal sendet die Regierung mit dieser frühzeitigen Massenentlassung von Häftlingen?
Judith Raupp: Die Entlassungen sind ein Zeichen der Überforderung des Justizsektors. Das Makala-Gefängnis ist für 1500 Häftlinge ausgelegt, beherbergt aber 15'000. Anfang September kam es dort zu einem Aufstand, bei dem 130 Menschen starben – die meisten durch Erdrücken oder Ersticken, einige wurden erschossen. Zudem wurden 270 Frauen vergewaltigt. Diese Überfüllung und die katastrophalen Lebensbedingungen sind im gesamten Kongo ein massives Problem.
Wer sind die entlassenen Häftlinge?
Vor allem kranke Menschen und Minderjährige wurden entlassen. Im Gefängnis gibt es kaum medizinische Versorgung, und einige Häftlinge mussten direkt ins Krankenhaus gebracht werden. Etwa 70 bis 80 Prozent der Insassen sind gar nicht verurteilt – viele warten jahrelang auf einen Prozess oder wissen nicht einmal, warum sie inhaftiert sind. Dies trägt wesentlich zur Überfüllung bei.
Werden Verurteilte und nicht Verurteilte getrennt?
Nein. Alle Häftlinge sind zusammen untergebracht, was zu gefährlichen Situationen führt. Das Justizsystem funktioniert nicht so, wie man es von einem modernen Staat erwarten würde.
Die Überbelegung ist extrem, und die paar Entlassungen machen kaum einen Unterschied.
Wie begründet die Regierung solche Inhaftierungen?
Oft gar nicht. Manche Menschen wissen nicht, warum sie inhaftiert sind. Manchmal wird ihnen vorgeworfen, zum Aufruhr angestachelt oder die Armee demoralisiert zu haben, besonders im Osten des Landes, wo Krieg herrscht. Kritik an der Armee kann dort schnell zu einer Inhaftierung führen.
Wie reagiert die Bevölkerung auf die Massenentlassungen?
Weniger die Entlassungen sind das Thema, sondern die Korruption und Willkür im Justizsystem sowie die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen. Viele Häftlinge sterben an Krankheit oder Unterernährung, es fehlt an Trinkwasser, Betten und Hygiene. Vergewaltigungen von Frauen sind häufig. Diejenigen, die im Gefängnis überleben wollen, müssen oft die Wärter bestechen, um in eine «VIP-Zelle» zu kommen, wo sie sicherer sind.
Solange der Justizsektor nicht grundlegend reformiert wird und willkürliche Verhaftungen gestoppt werden, wird sich nichts ändern.
Gibt es Widerstand gegen diese Zustände?
Ja, Menschenrechtsorganisationen und die UNO prangern die Missstände regelmässig an. In der Provinzhauptstadt Goma hat die UNO-Friedensmission einmal erreicht, dass einige unschuldig Inhaftierte freigelassen wurden. Auch die Opposition fordert derzeit die Freilassung politischer Gefangener und plant eine Demonstration in Kinshasa.
Der Justizminister hat die Entlassungen angeordnet, um die Gefängnisse zu entlasten. Wird das langfristig etwas ändern?
Nein, ich erwarte keine positiven Auswirkungen. Die Überbelegung ist extrem, und die paar Entlassungen machen kaum einen Unterschied. Solange der Justizsektor nicht grundlegend reformiert wird, etwa indem man sicherstellt, dass nicht jeder kleine Diebstahl zu einer Haftstrafe führt und willkürliche Verhaftungen gestoppt werden, wird sich nichts ändern.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.