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Gefängnisrevolte in Ecuador Das Blutbad hinter Gittern ist ein totales Staatsversagen

Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Banden in einem Gefängnis in Ecuador sind mindestens 44 Menschen ums Leben gekommen. Die meisten Opfer in der Haftanstalt von Santo Domingo sind mit Stichwaffen getötet, geköpft oder verstümmelt worden. Rund 220 Häftlinge flohen während der Krawalle aus der Haftanstalt.

In Ecuador kommt es immer wieder zu Gefängnisrevolten und Kämpfen zwischen verfeindeten Banden. Seit Anfang letzten Jahres kamen dabei fast 400 Häftlinge ums Leben. Viele Strafanstalten werden von Gangs kontrolliert. Zahlreiche inhaftierte Bosse steuern die Geschäfte ihrer kriminellen Organisationen aus dem Gefängnis heraus.

Kein Konzept gegen erstarkte Drogenbanden

Was seit über einem Jahr in den Gefängnissen in Ecuador passiert, ist ein Spiegel der gefährlichen Situation im ganzen Land. Die Drogenbanden in Ecuador sind so stark wie noch nie und das spiegelt sich in den Gefängnissen wider. Die Rivalität der Banden in den Gefängnissen ist gross, weil die Banden in ganz Ecuador erstarkt sind und gleichzeitig hat die Regierung keine Antwort, kein Konzept. Es ist ein Staatsversagen sondergleichen.

Die Regierungen in den letzten Jahren haben es verpasst, das Gefängnissystem zu überarbeiten, die Infrastruktur ist miserabel und viele Sicherheitsbeamtinnen und Beamte sind korrupt. Aber nicht nur das: Auf die gewaltige Herausforderung, die Kriminalität von Drogenbanden zu bekämpfen, hat die Regierung keine Antwort. Da fehlt ein Plan, da fehlen tiefgreifende Massnahmen. Dieses Staatsversagen führt dazu, dass die Behörden in den Gefängnissen, aber auch ausserhalb der Gefängnismauern in den von Gewalt betroffenen Provinzen keine Macht haben.

Banden rivalisieren im Kokainschmuggel

Ecuador grenzt an Kolumbien und Kolumbien produziert weltweit am meisten Kokain und aktuell so viele Tonnen wie noch nie. Daher wird Ecuador immer wichtiger als Transitknotenpunkt, um die Drogen von der Grenze bei Kolumbien quer durchs Land an die Pazifikküste zu bringen. Ecuador bietet sich für den Transport an, dies unter anderem, weil das Land über ein gut ausgebautes Autobahnnetz verfügt, das beste in Südamerika. Immer mehr rivalisierende Banden kämpfen um diese Schmuggelrouten.

Die einzige Antwort der Regierung auf die Gewalt der Drogenmafia: Das Militär soll es richten.

Problem wird nicht an der Wurzel gepackt

Insgesamt 3600 Polizei- und Militärangehörige patrouillieren nun in allen Gefängnissen in Ecuador und sollen für Ruhe sorgen. In drei Regionen an der Pazifikküste hat die Regierung den Ausnahmezustand verhängt. Die Bevölkerung darf in der Nacht nicht auf die Strasse. Soldaten sollen für Sicherheit sorgen und die für die Gewalt verantwortlichen Drogenbanden bekämpfen.

Aber das sind kurzfristige Lösungen, um die Bevölkerung zu beruhigen. Am System wird so nichts verändert, obwohl der Präsident von Ecuador, Guillermo Lasso, eigentlich beispielsweise ein Programm zur Verbesserung der Gefängnisinfrastruktur vorliegen hätte. Aber das Budget wurde kürzlich um 70 Prozent gekürzt.

David Karasek

Journalist und Südamerika-Kenner, SRF

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David Karasek war 2021 und bis Juli 2022 Südamerika-Korrespondent von SRF. Davor war er als Produzent und Redaktor bei SRF 4 News tätig. Von 2015 bis 2018 lebte und arbeitete er bereits als freier Journalist in Kolumbien und berichtete aus Ländern wie Ecuador, Venezuela oder Kuba für mehrere Medienunternehmen. Er hat in Bogotá an der Universität Javeriana Politologie studiert und moderiert inzwischen das «Tagesgespräch» von Radio SRF.

Rendez-vous, 11.05.2022, 12:30 Uhr

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