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Gefangenenaustausch Tausche Mörder gegen Reporter und Kremlkritiker

Wie viel kostet ein Mörder? Im konkreten Fall der sogenannte Tiergartenmörder? Der russische Präsident Putin hat den Preis mit dessen Freipressung heute definiert: 16 Männer, darunter der US-Journalist Evan Gershkovich und Rico K., ein Deutscher, der in Belarus zum Tode durch Erschiessen verurteilt wurde, reisen von Moskau in den Westen. Umgekehrt werden 10 Personen an Moskau ausgeliefert.

Der Deutsche Rico K. ist eine Schlüsselfigur in diesem Gefangenenaustausch. Der ehemalige Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuzes wurde in Belarus vor Kurzem wegen angeblichem Terrorismus und Söldnertum verurteilt. Putin und Lukaschenko brauchten einen Deutschen in diesem bösen Spiel. Offenbar reichte der Druck der USA auf Deutschland nicht aus, dem Deal zuzustimmen. Also brauchte es noch einen Deutschen, um Berlin dazu zu bringen, den «Tiergartenmörder» herzugeben.

Als Auftragskiller unterwegs

Doch warum wollte Putin den «Tiergartenmörder» Wadim Krassikow unbedingt aus dem deutschen Gefängnis nach Moskau holen? Es geht dabei um Vertrauen. Krassikow tötete, am helllichten Tag mitten in Berlin, wohl im Auftrag des Kremls – so die Anklage der deutschen General­bundes­anwalt­schaft. Das Opfer: Ein Regimekritiker, den Putin unbedingt beseitigen wollte. Krassikow war also als Auftragskiller unterwegs – und um solche Killer zu rekrutieren, brauchen diese die absolute Sicherheit, im Notfall zurück nach Russland geholt zu werden – und wie im Fall Krassikow nicht eine lebenslängliche Strafe in Berlin absitzen zu müssen.

Putin setzte also alles daran, Krassikow herauszuholen. Und sammelte mutmasslich «Tauschgefangene» ein. Zum Beispiel eben Evan Gershkovich, den Journalisten des «Wall Street Journals». Oder einen US-Soldaten. Beide verurteilt zu drakonischen Strafen wegen hanebüchenen Vorwürfen. US-Präsident Joe Biden hatte ein immenses Interesse, die beiden Amerikaner herauszuholen.

Sieger ist vor allem Putin

Gleichzeitig setzte Putin Regimekritiker auf die Liste, die er loshaben wollte. Mutmasslich war vor Monaten schon der bekannte Kreml-Kritiker Nawalny auf dieser Liste – der dann aber unter mysteriösen Umständen im russischen Gefängnis zu Tode kam.

Nun also ist der Deal zustande gekommen. Mit Moral hat das alles nichts zu tun. Sondern mit knallharter Erpressung und Interessenpolitik. Deutschland und die USA haben einen hohen Preis bezahlt. Sieger in diesem diabolischen Handel ist vor allem einer: der russische Präsident Wladimir Putin. Willkommen zurück im Kalten Krieg.

Stefan Reinhart

Leiter Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

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Tagesschau, 01.08.2024, 18:00 Uhr

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