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Gerechtigkeit in Afrika Spezialgericht mit Schweizer Beteiligung in Zentralafrika

Das Gericht soll Gräueltaten während des Bürgerkriegs aufarbeiten. Mit dabei sind auch zwei Schweizer Richter.

Richter Stefan Wäspi führt durch den leeren Gerichtssaal. In einer Ecke steht eine mannshohe Holzkiste auf Rollen. Sie ist mit Vorhängen versehen. «Zum Schutz von Zeugen, welche man nicht sehen darf», sagt Wäspi. Zentralafrikas Rebellengruppen sind gefährlich.

Wäspi spricht mit einer Frau.
Legende: Der Schweizer Untersuchungsrichter Stefan Wäspi bespricht sich im Gerichtssaal mit einer Kollegin. Samuel Burri/SRF

Untersuchungsrichter Wäspi ist froh, kann er im Duo mit einem lokalen Juristen ermitteln: «Er spricht Sango und kennt die Gegebenheiten – ich bringe internationale Erfahrung und Kontakte zu Experten ein.»

Es ist eigentlich ein Wunder, dass es dieses Gericht gibt.
Autor: Stefan Wäspi Untersuchungsrichter am «Cour Pénale Speciale» in Zentralafrika

Schon Verhaftungen in der Zentralafrikanischen Republik sind oft kompliziert, da der Staat über viele Regionen des Landes keine Kontrolle hat. In einem Fall schlugen die lokalen Experten des Gerichts vor, einem Verdächtigen an einem Wochenmarkt aufzulauern. Viele Haftbefehle konnten bisher nicht umgesetzt werden.

Viele Verbrechen bleiben ungesühnt

Der «Cour Pénale Speciale» in Bangui wurde 2015 gegründet. «Es ist eigentlich ein Wunder, dass es dieses Gericht gibt», sagt Wäspi. Denn inmitten eines immer wieder aufflackernden Konflikts mussten Parlament und Präsidentin der Schaffung des Spezialgerichts zustimmen.

Mehrere Personen sprechen an einem Tisch miteinander.
Legende: Ein Verteidiger diskutiert vor der Verhandlung mit einem Angeklagten und seinem Übersetzer. Samuel Burri/SRF

Verbrechen in Bürgerkriegen bleiben meist ungesühnt. Die lokalen Gerichte sind überfordert, die internationale Justiz ist weit weg. Das neue Gericht mit zehn nationalen und elf internationalen Richtern soll dies ändern. Im Mai ist endlich die erste Verhandlung gestartet.

Gerichtsverfahren an Radio und TV

«Das Interesse ist riesig», erzählt Wäspi, «der Fall wird live im Radio übertragen.» Dementsprechend sind auch die Erwartungen vieler Zentralafrikanerinnen und Zentralafrikaner hoch.

Der erste Fall – ein Rebellenmassaker

Box aufklappen Box zuklappen

Bei der ersten Verhandlung geht es um die Überfälle der Rebellengruppe 3R («Retour, Réclamation et Réhabilitation») auf drei Dörfer im Mai 2019. «Die Rebellen kamen am frühen Nachmittag auf Motorrädern an», erzählt ein Zeuge. Dann fesselten sie die wichtigsten Männer des Dorfes und erschossen einen nach dem anderen. Der Zeuge hatte Glück: «Ich war bloss angeschossen. Als sie schauten, ob ich noch lebte, hielt ich den Atem an.» Beim Massaker in der Region Ouham-Pendé töteten die Rebellen insgesamt mehr als 40 Menschen. Drei der Anführer des Massakers wurden vom Chef der Gruppe 3R an die Behörden ausgeliefert.

Auch live kann der Fall mitverfolgt werden. Hinter einer Glasscheibe stehen die Angeklagten in ihren orangen Gefängniskleidern den Richtern in ihren traditionellen Roben gegenüber.

Gerichtsszene.
Legende: Ein Anführer der Rebellengruppe 3R steht in Bangui vor Gericht. Samuel Burri/SRF

Untersuchungsrichter Wäspi wartet auf seine erste Verhandlung – wie auch seine Tessiner Kollegin Elena Catenazzi. Der Zeitdruck ist hoch. Bereits im Herbst 2023 läuft das Mandat des Gerichts aus, es kann aber um fünf Jahre verlängert werden.

Auch die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert nicht immer reibungslos. So wurde etwa ein Angeklagter von der lokalen Gendarmerie wieder freigelassen – statt vor Gericht zu kommen. «Das war ein spezieller Fall, aber tatsächlich etwas enttäuschend», gesteht der Schweizer Richter.

Richter Wäspi ist wie alle Richter mit Personenschutz unterwegs. Ein Auto mit UNO-Blauhelmsoldaten folgt ihm stets. «Es ist schon etwas speziell, wenn ich Einkaufen gehe und am Eingang zum Supermarkt stellen sich zwei Soldaten auf.»

Internationale Justiz hat keine Zeit

Dass das Spezialgericht nun anläuft, freut Wäspi. «Der Internationale Strafgerichtshof hat zu wenig Zeit für Zentralafrika, auch angesichts der Ereignisse in der Ukraine.»

Blick durch eine Scheibe in den Gerichtssaal.
Legende: Die Verfahren am «Cour Pénale Speciale» können aus dem Zuschauerraum durch eine Glasscheibe mitverfolgt werden. Samuel Burri/SRF

Die Zahl der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zentralafrika ist gross. Wie viel der neue Gerichtshof zur Klärung beitragen kann, muss er erst zeigen. Doch Richter Wäspi ist überzeugt: «Der Durst nach Gerechtigkeit ist hier immens.»

Rendez-vous, 10.06.2022, 12:30 Uhr

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