Richter Stefan Wäspi führt durch den leeren Gerichtssaal. In einer Ecke steht eine mannshohe Holzkiste auf Rollen. Sie ist mit Vorhängen versehen. «Zum Schutz von Zeugen, welche man nicht sehen darf», sagt Wäspi. Zentralafrikas Rebellengruppen sind gefährlich.
Untersuchungsrichter Wäspi ist froh, kann er im Duo mit einem lokalen Juristen ermitteln: «Er spricht Sango und kennt die Gegebenheiten – ich bringe internationale Erfahrung und Kontakte zu Experten ein.»
Es ist eigentlich ein Wunder, dass es dieses Gericht gibt.
Schon Verhaftungen in der Zentralafrikanischen Republik sind oft kompliziert, da der Staat über viele Regionen des Landes keine Kontrolle hat. In einem Fall schlugen die lokalen Experten des Gerichts vor, einem Verdächtigen an einem Wochenmarkt aufzulauern. Viele Haftbefehle konnten bisher nicht umgesetzt werden.
Viele Verbrechen bleiben ungesühnt
Der «Cour Pénale Speciale» in Bangui wurde 2015 gegründet. «Es ist eigentlich ein Wunder, dass es dieses Gericht gibt», sagt Wäspi. Denn inmitten eines immer wieder aufflackernden Konflikts mussten Parlament und Präsidentin der Schaffung des Spezialgerichts zustimmen.
Verbrechen in Bürgerkriegen bleiben meist ungesühnt. Die lokalen Gerichte sind überfordert, die internationale Justiz ist weit weg. Das neue Gericht mit zehn nationalen und elf internationalen Richtern soll dies ändern. Im Mai ist endlich die erste Verhandlung gestartet.
Gerichtsverfahren an Radio und TV
«Das Interesse ist riesig», erzählt Wäspi, «der Fall wird live im Radio übertragen.» Dementsprechend sind auch die Erwartungen vieler Zentralafrikanerinnen und Zentralafrikaner hoch.
Auch live kann der Fall mitverfolgt werden. Hinter einer Glasscheibe stehen die Angeklagten in ihren orangen Gefängniskleidern den Richtern in ihren traditionellen Roben gegenüber.
Untersuchungsrichter Wäspi wartet auf seine erste Verhandlung – wie auch seine Tessiner Kollegin Elena Catenazzi. Der Zeitdruck ist hoch. Bereits im Herbst 2023 läuft das Mandat des Gerichts aus, es kann aber um fünf Jahre verlängert werden.
Auch die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert nicht immer reibungslos. So wurde etwa ein Angeklagter von der lokalen Gendarmerie wieder freigelassen – statt vor Gericht zu kommen. «Das war ein spezieller Fall, aber tatsächlich etwas enttäuschend», gesteht der Schweizer Richter.
Richter Wäspi ist wie alle Richter mit Personenschutz unterwegs. Ein Auto mit UNO-Blauhelmsoldaten folgt ihm stets. «Es ist schon etwas speziell, wenn ich Einkaufen gehe und am Eingang zum Supermarkt stellen sich zwei Soldaten auf.»
Internationale Justiz hat keine Zeit
Dass das Spezialgericht nun anläuft, freut Wäspi. «Der Internationale Strafgerichtshof hat zu wenig Zeit für Zentralafrika, auch angesichts der Ereignisse in der Ukraine.»
Die Zahl der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zentralafrika ist gross. Wie viel der neue Gerichtshof zur Klärung beitragen kann, muss er erst zeigen. Doch Richter Wäspi ist überzeugt: «Der Durst nach Gerechtigkeit ist hier immens.»