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Gerichtsentscheid in Ankara 24 Mal lebenslänglich für Putschversuch gegen Erdogan

  • Ein Gericht in Ankara hat 24 Personen zu lebenslanger Haft verurteilt, die am gescheiterten Putsch von 2016 beteiligt gewesen sein sollen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.
  • Unter den Verurteilten sind auch der ehemalige Chef der Luftwaffe Akin Öztürk und Ali Yazici, ehemaliger Adjutant des Präsidenten Erdogan.
  • Im Prozess angeklagt wurden insgesamt 224 Personen. 176 sind in Untersuchungshaft, 35 wurden freigesprochen und 13 in Abwesenheit verurteilt.

17 der Angeklagten – alles ehemalige Spitzenmilitärs – sind 141 mal lebenslänglich schuldig gesprochen worden, unter anderem für «den Versuch, die verfassungsmässige Ordnung zu stürzen» und «den Versuch, den Präsidenten zu ermorden». Ferner sei ihnen der Tod von 251 Menschen im Zuge des Putschversuches zur Last gelegt worden.

Mammut-Prozess zu Ende

Das Gerichtsverfahren gegen die mutmasslichen Putsch-Beteiligten ist das bisher grösste dieser Art in der Türkei. 2017 wurden 486 Personen unter anderem des Versuchs angeklagt, die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan zu stürzen.

Einschätzung von Journalist Thomas Seibert in Istanbul:

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  • Rechtsstaatlichkeit: «Offiziell ist alles rechtsstaatlich gelaufen», sagt Seibert. Es gebe allerdings sehr viel Kritik am Vorgehen der Justiz. Geständnisse sollen erpresst worden sein. Der Staatsanwaltschaft werde vorgeworfen, nicht alle Informationen weiterverfolgt zu haben und somit Entlastendes nicht einbezogen zu haben.
  • Zeitpunkt der Urteile: Journalist Seibert glaubt nicht, dass der Zeitpunkt von der Regierung gesteuert war. Am Sonntag findet die Wiederholung der Wahl des Stadtpräsidenten von Istanbul statt. Doch diese Urteile werden Erdogans Lager keine Stimmen bringen, so Seibert: « Auch die Anhänger der Opposition lehnten im Juli 2016 den Putsch ab.»

Im letzten Jahr sind bereits 142 Verfahren gegen Angeklagte im Zusammenhang mit dem Putschversuch abgeschlossen worden. Damals wurden 65 Angeklagte zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, 77 wurden freigesprochen.

Verhaftungswelle nach Putschversuch

Der Prediger Fethullah Gülen und hohe Militärs wie Ex-Luftwaffenkommandant Akin Öztürk werden für den gescheiterten Putsch von 2016 verantwortlich gemacht.

In einer Verhaftungswelle wurden nach dem Putsch zudem mehr als 50'000 Menschen wegen angeblicher Gülen-Verbindungen oder Beziehungen zu militanten Gruppen inhaftiert. Beim Putschversuch wurden mehrere Hundert Menschen getötet und Tausende verletzt.

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