Als Theaterstück inszeniert wäre der Fall Kirill Serebrennikow eine absurde Tragödie. Ein Stück darüber, wie ein Repressionsapparat tickt, wenn er erst einmal in Gang gesetzt ist. Der Fall Kirill Serebrennikow ist aber ein reales Drama. Der gefeierte Starregisseur, der Liebling der Moskauer Intelligenzia sitzt im Gerichtssaal.
Dabei wäre Serebrennikows Ort das Theater, das Filmset. Schon als Schüler brachte er im südrussischen Rostov am Don sein erstes Stück auf die Bühne. Später studierte Serebrennikow zwar Physik, doch die Anziehungskraft der Kunst war stärker.
Unerschrockener Provokateur auf dünnem Eis
49 Jahre ist Serebennikow heute alt. Er hat über ein Dutzend Filme gemacht, Dutzende Theaterstücke inszeniert. Seine Stücke kommen daher wie eine pralle Ladung Leben: es wird geliebt, geschrien und geflucht.
Tabus kennt Serebrennikow nicht. Der Film «Der die Zeichen liest» inszeniert einen Teenager, der ganz in der Religion aufgeht. Ein Schulfreund allerdings will ganz was anderes von dem jungen Christen: Sex.
Homosexualität und Glaube – pure Provokation im konservativen Russland. Im Theaterstück «Wer in Russland lebt froh und frei?» schreibt einer der Schauspieler die Antwort mit Kunstblut auf ein Transparent: «Der Zar»
Das Gogol-Zentrum in Moskau
Richtig bekannt wurde Serebrennikow als künstlerischer Leiter des Gogol-Zentrums. Er hat das Theater zu einem Treffpunkt für die liberale Moskauer Kulturszene gemacht. Ins Gogol-Zentrum geht man nicht nur zum Theaterschauen. Hier vermischen sich alle Kunstformen: Ausstellungen, Kino, Musik; hier wird philosophiert und diskutiert.
Vor gut einem Jahr ist Serebrennikow festgenommen worden. Seither sitzt er unter Hausarrest. Der Regisseur soll bei einem Kulturprojekt insgesamt zwei Millionen Franken unterschlagen haben. Er selber bestreitet die Vorwürfe.