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Japan führt Gesetz gegen Hass im Netz ein
Aus SRF 4 News aktuell vom 20.06.2022. Bild: imago images
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Gesetz gegen Cybermobbing Japan bestraft Hass im Netz mit Gefängnis

Hintergrund ist der Suizid einer bekannten Wrestlerin im Jahr 2020. Manche fürchten nun um ihre Meinungsfreiheit.

Ein Jahr Gefängnis, wenn man andere Menschen im Internet anfeindet. Dieses scharfe Gesetz gilt neu in Japan. Zwar gab es schon vorher ein Gesetz. Dieses war jedoch zu lasch. Das sagt Kathrin Erdmann. Sie ist Ostasien-Korrespondentin für die ARD und derzeit in Tokio.

Der Katalysator für das neue Gesetz war der Tod der bekannten Wrestlerin Hana Kimura. Sie wurde im Netz stark angefeindet. Daraufhin nahm sie sich vor zwei Jahren das Leben. «Der Druck war jetzt einfach zu gross, vor allem der toten Mutter der Wrestlerin und auch der Öffentlichkeit», so Erdmann.

Der Wrestlerin Hana Kimura wird mit einem Porträtfoto an einem Wrestling-Kampf gedacht.
Legende: Neben der Wrestlerin gab es viele weitere Menschen in Japan, die sich wegen Anfeindungen im Internet das Leben genommen haben. Keystone

Von Cybermobbing sind viele weitere Menschen betroffen – überall auf der Welt. In Japan gibt es jedoch kulturell bedingte Probleme mit der Internet-Hetze. «Japaner und Japanerinnen sagen nicht Nein. Sie sagen einer Person die Meinung nicht klar ins Gesicht. Damit würde man sein eigenes Gesicht verlieren. Im Netz können sie sich natürlich ganz anders ausleben.»

Ein weiteres Problem ist die fehlende Medienkompetenz in Japan. Die sozialen Medien sind vor allem für junge Menschen in Japan das einzige Kommunikationstool, zitiert Kathrin Erdmann eine Studie. «Sie lernen in der Schule kaum etwas über Regeln, Grenzen und den Umgang mit diesen Medien.» Weiter gibt es unter jungen Menschen die Angst, nicht dazuzugehören, ein Aussenseiter zu sein. 

Wichtiges Signal oder nur Feigenblatt?

Der Tod der Wrestlerin und anderer Prominenter hat für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit gesorgt. Viele finden das Gesetz laut Erdmann gut. Es sei ein wichtiges Signal. Man müsse jetzt aber aufpassen, dass das Gesetz mehr als ein Feigenblatt wird oder bleibt.

Die Gesetzesanpassung wird aber auch kritisiert. Gegner und Gegnerinnen befürchten, dass die Meinungsäusserung zu stark beschränkt wird. Und das Gesetz könne auch dazu führen, dass Kritik an Politikern und anderen öffentlichen Personen zu Strafen führe, sagt die Ostasien-Korrespondentin.

Es ist völlig unklar, wann eine Beleidigung eine Beleidigung ist.
Autor: Kathrin Erdmann Ostasien-Korrespondentin

Das Gesetz ist ein Pilot-Gesetz. Die oppositionelle Demokratische Partei hat das Gesetz erwirkt. Es gilt erstmal drei Jahre. Falls es nichts bringen sollte, kann es dann auch wieder abgeschafft werden. Die eigentliche Problematik sieht Erdmann in der Definition: «Es ist völlig unklar, wann eine Beleidigung eine Beleidigung ist. Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Der Erfolg wird wahrscheinlich davon abhängen, wie gut die Polizei ihre Arbeit macht. Und wie gut sie versucht, Täterinnen und Täter zu identifizieren. Und wie viele sie dann auch identifiziert und auch bestraft.»

Cybermobbing steht nicht im Schweizer Strafgesetzbuch

Auch in der Schweiz sind viele Menschen von Cybermobbing betroffen. Opfer davon werden je länger je mehr auch ältere Menschen. Zu diesen Erkenntnissen kommt eine Studie des deutschen Bündnisses gegen Cybermobbing. In der Deutschschweiz waren knapp 40 Prozent der befragten Personen zwischen 18 und 65 Jahren schon mindestens einmal Opfer von Mobbing. Die Pandemie hat das Mobbing zusätzlich befeuert.

Die Befragten wünschen sich mehr Unterstützung in Form von Hilfsstellen und Gesetzen. Doch Mobbing im Internet steht nicht im schweizerischen Strafgesetzbuch. Es gibt aber die Straftatbestände Pornografie, Gewaltdarstellungen, Ehrverletzung, Drohung und Nötigung und weitere.

Braucht es den Strafbestand Cybermobbing?

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Bei Expertinnen und Experten ist umstritten, ob es einen neuen Straftatbestand braucht. Ein solches Gesetz wäre vor allem von symbolischer Bedeutung. Der Soziologe Dirk Maier sagte in einem Gespräch mit SRF News, es bestehe ein gewisser Handlungsdruck.

«Ein Straftatbestand würde Opfern zu einer stärkeren Position verhelfen, sie ermächtigen. Ein Straftatbestand Cybermobbing wäre für Jugendliche ausserdem besser verständlich und könnte sie zum Handeln animieren. Ein Gesetz führt auch zu einer gesellschaftlichen Diskussion und zu einem Bewusstsein für das Problem. Im Zuge dessen wäre es einfacher, Präventionsangebote zu entwickeln.»

Die Jugendanwältin Barbara Altermatt hingegen ist der Meinung, dass es keine Gesetzeslücke gebe. «Es ist eine Qualität unseres Gesetzes, dass es nicht auf aktuellen technischen Gegebenheiten aufbaut, sondern Delinquenz ahndet. Das Strafgesetz soll Verhaltensweisen strafen, die nicht akzeptabel sind. Es ist der falsche Ort für Symbole. Der Abschreckungsgedanken verträgt sich auch nicht mit dem Jugendstrafrechtsgedanken. Dort steht der erzieherische Aspekt im Vordergrund.»

SRF 4 News, 20.06.2022, 08:21 Uhr;

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