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Gespenst Euro-Krise Kritik an EU-Regeln zur Finanzpolitik – nicht nur von Populisten

Nach der politischen Krise in Italien geht das Gespenst einer Euro-Krise um. Doch jetzt ist eine neue Regierung aus Lega und Fünf Sterne an der Macht. Was heisst das für die Eurozone und den Euro?

Populistische Parteien neigen dazu, mit dem Finger auf Brüssel zu zeigen: Die Regeln der EU seien die eigentliche Ursache für die Probleme im eigenen Land. So haben das auch die Lega und das Movimento Cinque Stelle (M5S) immer wieder gemacht. Die beiden neuen italienischen Regierungsparteien fordern denn auch, gewisse Regeln in der EU neu auszuhandeln – und zielen vor allem die strikten Budgetregeln in der Union.

Nicht nur populistische Kritik

Marcel Fratzscher , Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, hält nichts von populistischen Schuldzuweisungen. Aber er teilt die Kritik an den EU-Budgetregeln: «Die europäischen Regeln zur Finanzpolitik, was also Länder ausgeben können, sind deutlich verbesserungswürdig und müssen verbessert werden.»

Bereits Anfang Jahr hat Fratzscher zusammen mit 13 deutschen und französischen Wissenschaftlern Vorschläge für eine Reform der Eurozone präsentiert. Sie fordern unter anderem flexiblere Budgetregeln und mehr finanziellen Spielraum während Krisenzeiten: «Italien hätte wahrscheinlich nach 2010 von einer expansiveren Finanzpolitik profitiert, um die Krise abzufedern. Hier sind zum einen natürlich die Budgetregeln schuld, zum anderen aber auch die italienische Regierung.»

Unbestritten ist, dass die italienischen Regierungen der letzten Jahre vieles versäumt haben. Entscheidend ist vielmehr, dass mit Fratzscher einer der prominentesten und einflussreichsten deutschen Ökonomen die EU-Regeln ausdrücklich als mitschuldig bezeichnet für die Probleme Italiens. Damit gibt er der neuen italienischen Regierung mindestens teilweise Recht.

Fratzscher gibt sich optimistisch, denn die EU habe gar keine andere Wahl: «Ich habe die Hoffnung, dass die Politik nicht erst auf die nächste Krise waren wird, sondern dass sie es vorher macht. Da will ich optimistisch sein, auch wenn ich Zweifel daran habe, ob das dann wirklich ausreichen wird.»

Expansivere Geldpolitik gefordert

Ob es ausreichen wird, hängt wesentlich davon ab, was die italienische Regierung nun wirklich umsetzt und wie schnell. Paul de Grauwe von der London School of Economics gehört schon lange zu den prominenten Kritikern der EU-Budgetregeln. Eine expansivere Geldpolitik liegt denn auch ganz auf seiner Linie.

Ein Grundlohn ist ökonomisch nicht sinnvoll. Er würde zu einem höheren Defizit und höheren Schulden führen und würde auch nicht die Wirtschaft ankurbeln.
Autor: Paul De Grauwe, LSE

Doch sieht er im Regierungsprogramm von Lega und M5S grosse Schwachstellen. Vor allem das Vorhaben, einen Grundlohn in Italien einzuführen sei nur sozialpolitisch eine sympathische Idee: « Ein Grundlohn ist ökonomisch nicht sinnvoll. Er würde zu einem höheren Defizit und höheren Schulden führen und würde auch nicht die Wirtschaft ankurbeln», sagt er.

Je nachdem wie entschieden die Regierung vorgehen wolle, würden sicher auch die einen oder anderen Finanzakteure wieder etwas nervös, sagt de Grauwe. Begrüssen würde er hingegen zusätzliche öffentliche Investitionen in die Infrastruktur.

Auch solche Investitionen würden das Defizit erhöhen, aber weil sie die Wirtschaft ankurbelten, würde sich das langfristig auszahlen, ist de Grauwe überzeugt.

Gespenst einer Euro-Krise geht um

Paul de Grauwe und Marcel Fratzscher sind sich einig: Ob sich die Turbulenzen an Börsen und Finanzmärkten wie vergangene Woche wiederholen, hängt davon ab, ob die neue Regierung Italiens auch künftig mit dem Gedanken spielt, aus dem Euro auszusteigen.

Nur schon das leiseste Gedankenspiel würde die Märkte wieder nervös machen. Würde die neue italienische Regierung sogar noch weitergehen und tatsächlich ein Referendum über den Verbleib im Euro ankündigen, wäre Italien sofort bankrott, und zwar unabhängig davon, wie das Referendum ausginge, ergänzt Fratzscher: «Klar versuchen Politiker Wahlen zu gewinnen, um populär zu sein. Aber den Euro zu hinterfragen, ist ein Spiel mit dem Feuer, weil die Finanzmärkte darauf sofort reagieren. Und dieses Mal wären der europäischen Zentralbank die Hände gebunden und könnte nicht so agieren wie 2012, das heisst, es würde niemanden geben, der Italien retten wird.»

Solche Spielereien müssten sich die italienischen Regierungsparteien, die Lega und das M5S, allerdings selber verbieten. Da würden auch Reformen der Eurozone nichts bringen. Was aber nicht heisst, dass die anderen EU-Partner hier nicht vorwärts machen und damit auch auf die neue italienische Regierung zugehen könnten. Denn die bisherigen Regeln sind zu starr und lassen Italien offensichtlich zu wenig Spielraum.

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