Nach einer Demonstration gegen verschärfte Corona-Massnahmen in Rom sind am Wochenende bekannte Köpfe der faschistischen Splitterpartei Forza Nuova festgenommen und befragt worden: Videoaufnahmen zeigen, wie sie bei der Stürmung der Hauptzentrale der Gewerkschaft CGIL als Rädelsführer agierten.
Ihnen wird nun Vandalismus und Plünderung vorgeworfen. Auch wenn keineswegs alle 10'000 Demonstranten in Rom Faschisten gewesen seien: Die Forza Nuova versuche, aus der Covid-Krise Kapital zu schlagen, sagt SRF-Korrespondent Philipp Zahn.
SRF News: Nach der Stürmung und Plünderung der Gewerkschaftsbüros fordert die sozialistische Partei ein Verbot der Forza Nuova. Wie realistisch ist ein solches?
Philipp Zahn: Am 20. Oktober sollen mehrere entsprechende Motionen im Parlament verhandelt werden. In der Tat ermöglicht es ein Gesetz von 1952, faschistische Nachfolge-Parteien zu verbieten. Allerdings wurde es bislang nie angewendet. Denn es sieht vor, dass zugleich auch die Justiz, nicht nur die Politik, eine solche Partei verbieten muss, was noch nie vorgekommen ist. Entsprechend wird es schwierig werden, die Partei zu verbieten.
Was können die Eingaben denn überhaupt bewirken?
Die rechten Parteien im Parlament werden dadurch dazu gezwungen, zum Thema Stellung zu beziehen. Denn sie alle nehmen eine sehr diffuse Position zur faschistischen Vergangenheit ein – auch zur eigenen. Italien hat sich nie richtig mit der Zeit des Faschismus und Diktator Mussolinis auseinandergesetzt.
Italien hat sich nie richtig mit der Zeit Mussolinis auseinandergesetzt.
Auch heute noch unterteilen viele Italienerinnen und Italiener ihre politische Gesinnung entweder in links oder rechts – kommunistisch oder faschistisch. Diese Gemengelage wurde in Italien nie politisch und gesellschaftlich aufgearbeitet.
Warum tut sich die italienische Politik so schwer mit der faschistischen Vergangenheit des Landes?
Der Faschismus ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs nie ganz aus Gesellschaft und Politik verschwunden. Schon 1946 wurde die erste postfaschistische Partei MSI gegründet, die vor gut 20 Jahren in die Alleanza Nazionale umgewandelt wurde. Beim Kongress von Fiuggi 1995 läuterten sich die Postfaschisten zu einer rechtskonservativen Partei, welche die Verfassung unterstützt und mit Silvio Berlusconi erstmals Regierungsverantwortung übernahm.
Die rechten Parteien haben sich nie von postfaschistischen Bewegungen oder Splitterparteien wie der Forza Nuova distanziert.
2012 wurde mit den Fratelli d'Italia dann erneut eine postfaschistische Partei gegründet. Dabei haben sich diese Parteien aber nie von noch extremeren Bewegungen oder Splitterparteien wie der Forza Nuova distanziert. Andererseits kommen die faschistischen Splitterparteien bei Wahlen kaum je über ein Prozent der Stimmen hinaus.
Kann man also sagen, dass das Faschismus-Problem in Italien viel älter ist als Covid und das Land noch lange beschäftigen wird?
Auf jeden Fall. Der aktuellste Fall vom Wochenende zeigt exemplarisch, dass neofaschistische Splittergruppen oder Bewegungen Themen wie Covid oder früher die Gay Pride gerne aufgreifen und als Trittbrettfahrer versuchen, für ihre Sache Stimmung zu machen.
Das Gespräch führte Nina Gygax.