Die Proteste in Jordanien begannen vor ein paar Wochen, zunächst eher unauffällig. Taxifahrer und Transportunternehmer versammelten sich vor Tankstellen oder am Strassenrand und klagten über die hohen Benzin- und Dieselpreise, die sich innert Jahresfrist verdoppelt hatten.
Jeden Tag kamen etwas mehr Männer dazu, der Tonfall wurde lauter und aggressiver. Sie begannen, Strassen zu blockieren. Sie posteten Videos vor allem auf Tiktok: Dort klagen aufgebrachte Berufsfahrer, dass sie mit ihren Familien zugrunde gingen – und stellen gleichzeitig die Frage nach den Profiteuren der hohen Treibstoffpreise.
Prekäre wirtschaftliche Lage
Die Regierung verwies auf die Auswirkungen des Ukraine-Krieges oder stellte fest, es seien bereits einige Hundert Millionen Dollar in Preissenkungen investiert worden, mehr liege nicht mehr drin. Denn Jordanien erhalte Geld vom Internationalen Währungsfonds IWF, der weniger Subventionen verlange.
Doch die Not der Berufsfahrer war damit nicht gelindert. In Jordanien ist alles viel teurer geworden. Die Löhne sind seit Corona nicht gestiegen oder gar gesunken, ohne Kredite kommt niemand mehr durch.
Der jüngste Ausbruch
Im Süden und im Südwesten des Landes errichteten die Berufsfahrer schliesslich Blockaden und zündeten Reifen an. Plötzlich standen Panzer auf der Strasse, auch nachts, vor dem Flughafen zum Beispiel. Auf TikTok zirkulierten immer mehr Videos von gewalttätigen Konfrontationen mit der Polizei.
Am Freitag wurde in der Provinz Ma'an sogar ein Polizeioffizier mit einem Kopfschuss getötet. Die Regierung liess Tiktok abschalten. Fernsehstationen übertrugen die Beerdigung. Selbst der König kam, um dem gefallenen Polizisten die letzte Ehre zu erweisen.
Normalerweise hat die jordanische Bevölkerung ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu ihren Sicherheitskräften. Tödliche Konfrontationen sind selten. Doch kaum war der Offizier beerdigt, wurden gestern drei weitere Sicherheitsbeamte getötet, als sie den mutmasslichen Mörder des Offiziers verhaften wollten. Der Gesuchte soll bei der Razzia ebenfalls umgekommen sein.
Weihnachtsfeier abgesagt
Die jordanischen Kirchenvertreter haben die ersten grossen Weihnachtsfeierlichkeiten seit Corona abgesagt. Auch Neujahrsfeierlichkeiten sollen aus Respekt für die Getöteten nicht stattfinden.
Am Dienstag beendeten die Berufsfahrer in Ma'an ihren Streik, also dort, wo der Polizeioffizier erschossen wurde. Die Regierung versprach ihnen mehr Geld, doch die Stimmung bleibt angespannt: Dutzende wurden verhaftet, TikTok bleibt verboten. Im Fernsehen laufen stattdessen Videos über die Tapferkeit der Streitkräfte.
Proteste in Jordanien nicht neu
Die Treibstoff-Proteste in Jordanien sind kein neues Phänomen. Vor Corona brachte das Volk eine Regierung zu Fall – mit einem grossen Lehrerinnenstreik und täglichen Demonstrationen von Berufsgruppen.
Seit Corona herrscht Militärrecht im Königreich, und die Zensur würgt fast jede Kritik ab. Wo es wirtschaftlich schlecht geht, wachsen Gerüchte und Frustration. Die jordanische Bevölkerung weiss kaum noch, was im Land passiert. Sie merkt nur, dass das Leben immer unerschwinglicher wird. Trotz Milliardenhilfe von den USA, der EU und Saudi-Arabien – das Geld kommt bei den Leuten nicht an.