Das Wichtigste in Kürze
- Eine indische Firma darf in der Region Queensland ein gigantisches Bergbau-Projekt umsetzen. So könnte dort die grösste Kohlemine Australiens entstehen.
- Die Regierung ist begeistert: Die Carmichael-Mine soll tausende Arbeitsplätze schaffen und horrende Einnahmen generieren.
- Kritiker sind entsetzt: Die Kohlemine gefährde Mensch und Tier und führe zu bleibenden Klima- und Umweltschäden.
In Europa und China werden Kohlebergwerke zuhauf stillgelegt, weil sich die Produktion schlicht nicht mehr lohnt. Dazu kommt: Der Energieträger Kohle wird wegen massiver Schadstoffemissionen für den Klimawandel mitverantwortlich gemacht.
Statt auf alternative Energiequellen umzuschwenken, glaubt man in «Down Under» an die Zukunft des Rohstoffs. Freilich auch, weil er in rauen Mengen vorhanden ist: Australien verfügt über etwa zehn Prozent der weltweiten Kohlevorräte.
Deswegen unterstützt die Regierung auch das gigantische Bergbau-Projekt des indischen Konzerns Adani: Im Tropenparadies Queensland könnte, so sie denn gebaut wird, eine der grössten Kohleminen der Welt entstehen. Der indische Multi sucht fieberhaft nach Investoren.
Australischer Gigantismus
Riesige Erwartungen
Das wichtigste Argument für die Baubewilligung: Arbeitsplätze. Premierminister Malcolm Turnbull versprach «Zehntausende neue Jobs» durch die Mine. Urs Wälterlin, SRF-Mitarbeiter in Australien, bremst die Euphorie: «Es werden höchstens 1500 sein, das sagte sogar Adani selbst.»
Die Sorge um die Arbeitnehmer ist, findet Wälterlin, nur die halbe Wahrheit: «Vize-Premier Barnaby Joyce hat jüngst – vielleicht etwas naiv – den wirklichen Grund für die Unterstützung des Projekts genannt: ‹Making Money› (deutsch: ‹Geld machen›».
Die Folgen für die Umwelt
Wird die gigantische Mine Realität, hätte das weitreichende Folgen für Mensch und Natur. Die Umweltorganisation Greenpeace hat ausgerechnet, dass die Mine bei Spitzenproduktion mehr CO2 generieren würde als so manches Land.
Der Grundwasserspiegel könnte um mehrere Meter gesenkt werden, zudem dürfte der Lebensraum gefährdeter Tierarten zerstört werden. Schliesslich werden, so Wälterlin, auch die Rechte der Ureinwohner verletzt: «Sie sind die traditionellen Besitzer des Gebietes und gegen das Projekt.»
Der Betreiber Adani kontert die Kritik. Das Unternehmen will die gesamte Kohleproduktion in Indien verkaufen. Man wolle damit Millionen Menschen aus der Armut helfen – denn diese erhielten Zugang zu billiger Elektrizität.
Breite Front gegen das Projekt
Wenig überraschend laufen auch Grüne und Umweltverbände Sturm gegen die Carmichael-Mine. Der Druck auf mögliche Investoren wird immer grösser: Rund ein Dutzend mögliche Geldgeber und internationale Finanzinstitute haben bereits versprochen, sie würden das Projekt nicht mitfinanzieren.
In letzter Zeit übten aber auch Bauern verstärkt Kritik, sagt Wälterlin: «Denn ohne Wasser ist ihre Lebensgrundlage gefährdet». Wissenschaftler warnen derweil vor verheerenden Folgen für das nahegelegene Great Barrier Reef: «Sie sind nicht nur wegen des CO2 besorgt, sondern auch wegen Kohlestaubs, der sich auf die Korallen legen und sie ersticken könnte.»
Verflechtung von Industrie und Politik
Die Befürworter des milliardenschweren Projekts lassen sich nicht beeindrucken: «Sie wollen sich nicht von den ‹Ökoterroristen› unterkriegen lassen, wie einige Politiker die Kritiker tatsächlich nennen», sagt Wälterlin. Auch, weil der Einfluss der Skeptiker des Klimawandels in der Regierung Turnbull beträchtlich, ja «mindestens so gross wie in der Regierung Trump ist», so Wälterlin.
Das Ringen um «Carmichael» dürfte weitergehen. Und, wie Wälterlin sagt, zum Testfall für die Zukunft des Energieträgers insgesamt werden: «Ausschlaggebend ist, ob sich das Projekt wirtschaftlich lohnen wird. Das wird nicht der Fall sein, wenn die Konsumenten weltweit Nein zu mehr Kohlestrom sagen.»
Für die Wissenschaft sei schon jetzt klar, schliesst Wälterlin: «Die australische Kohle muss unter dem Boden bleiben.»
Verletzliche Schönheit: Great Barrier Reef
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Bild 1 von 9. Die Vielfalt von Flora und Fauna am Great Barrier Reef ist einzigartig: Es bietet 400 Korallenarten, 1500 Fischarten und 4000 verschiedenen Weichtieren Lebensraum. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 9. Allerlei Kuriositäten tummeln sich auf dem Meeresgrund über insgesamt 2600 Kilometer. So ist die Seetiefe am Great Barrier Reef etwa von Seegurken bevölkert, die zum Stamm der Stachelhäuter gehören. Ihr walzenförmiger Körper kann in der Länge, je nach Art, zwischen einem Millimeter und zwei Metern variieren. Bildquelle: Imago.
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Bild 3 von 9. Wiewohl aber die Welt in der Tiefsee im Einklang mit sich scheint, so ist sie doch sehr gefährdet. Experten warnen seit Jahrzehnten, dass das Riff aus dem Gleichgewicht geraten und zerstört werden könnte. Tatsächlich hat es seit seiner Registrierung als Weltkulturerbe aufgrund von Umwelteinflüssen rund die Hälfte der Korallen verloren. Bildquelle: Imago.
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Bild 4 von 9. Im Juli 2014 versammelten sich Demonstranten vor dem Queensland Parliament in Brisbane, um den Ausbau des Kohlehafens nahe des Riffs zu stoppen. Drei Millionen Kubikmeter Schlamm sollten für das Projekt abgetragen und im Meer versenkt werden. Mehrere globale Institute weigerten sich hierauf, den ökologisch prekären Ausbau zu finanzieren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Weit mehr noch als vom Schlamm ist das Great Barrier Reef, laut Aussagen von Biologen, von der Erderwärmung bedroht. Steigende Temperaturen und erhöhte Kohlendioxid-Werte würden binnen der nächsten Jahrzehnte zu einer Übersäuerung des Wassers führen – was für die Korallen letztlich tödlich wäre. Bildquelle: Imago.
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Bild 6 von 9. Aber nicht nur biologische und chemische Schadstoffe gefährden das Unesco-Weltkultur-Erbe. Auch die touristische Nutzung birgt Risiken für das Great Barrier Reef. Das Sammeln von Souvenirs, das unbedachtsame Tauchen und selbst das Sonnenöl von Schnorchlern zählt laut Umweltschützern als Risiko für das sensible Ökosystem. Bildquelle: Imago.
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Bild 7 von 9. Schliesslich wird das feine Zusammenspiel von Tieren, Pflanzen und Elementen auch durch die intensive Landwirtschaft in Küstennähe aufs Spiel gesetzt. Mit dem jährlichen Monsunregen gelangen Pflanzenschutz- und Düngemittel von Zuckerrohr- und Bananenplantagen ins Wasser und greifen die Korallenstöcke an. Im Bild eine Anemonengarnele. Bildquelle: Imgago.
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Bild 8 von 9. Und so sieht es nun aber immer häufiger aus: Tote, ausgebleichte Korallen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Farblos statt kunterbunt: Die Korallen bleichen immer mehr aus. Bildquelle: Keystone.