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Gipfeltreffen in Hanoi Vietnam als wirtschaftliche Blaupause für Nordkorea?

Verläuft Kim Jong Uns Besuch in Vietnam nach seinem Plan, dann bringt ihn die lange Bahnreise ein Stück näher an sein nächstes Ziel: Den wirtschaftlichen Aufschwung seines abgeschotteten Landes.

Denn nach der Fertigstellung des Nuklearprogrammes müsse jetzt die Wirtschaft auf Vordermann gebracht werden, liess er vor gut einem Jahr verlauten.

Zuerst Krieg beenden, dann der Wohlstand

Noch ist dieses Ziel in weiter Ferne, sagt Chi Lan. Die 70-jährige Ökonomin gilt in Vietnam als graue Eminenz, was Fragen der wirtschaftlichen Öffnung angeht.

Sie hat massgebend an Vietnams Wirtschaftsreformprogramm «Doi Moi» mitgearbeitet und war über zehn Jahre die direkte Beraterin des vietnamesischen Präsidenten. «Vietnam ist das perfekte Vorbild für Kim Jong Un», sagt sie.

Vom Feind zum Freund

Kim Jong Un müsse nun aber unbedingt als erstes die Beziehungen zu den USA normalisieren und den Krieg beenden. Erst dann könne ein neues Kapitel aufgeschlagen werden, sagt die Wirtschaftsberaterin.

Chi Lan preist die heutigen Beziehungen zwischen den USA und Vietnam als hervorragend: «Aus zwei Feinden sind zwei Freunde geworden,» sagt sie und hofft, dass Kim nun eben dem Vorbild von Vietnam folge und zwischen den USA und Nordkorea ebenfalls eine freundschaftliche Beziehung wachsen könne.

Aufbruchstimmung und Unternehmergeist

Das Treffen in Hanoi müsse konkretere Resultate bringen, als das letzte Gipfeltreffen zwischen Kim und Trump, sonst wird nichts aus einem Aufschwung Nordkoreas, beschwichtigt die Beraterin.

Wenn Kim Jong Un tatsächlich das Erfolgsmodell von Vietnam kopieren wolle, brauche es mehr, sagt Chi Lan: «Es braucht zwingend auch politische Reformen, wie wir sie in Vietnam ebenfalls begonnen haben vor 30 Jahren».

Die wirtschaftlichen Reformen in Vietnam, haben es ermöglicht, dass heute internationale Grosskonzerne wie Samsung, Bridgestone oder Foxconn in Vietnam produzieren lassen.

Das Vorzeigebeispiel des vietnamesischen Aufschwungs ist zur Zeit die Stadt Haiphong mit ihren Dutzenden neuen Industrieparks. Eine nagelneue Autobahn hat die Reisezeit zwischen Hanoi und der Hafenstadt auf zwei Stunden verkürzt. Die Region weist derzeit ein Wirtschaftswachstum von sage und schreibe 20 Prozent auf.

Es braucht zwingend auch politische Reformen, wie wir sie in Vietnam ebenfalls begonnen haben vor 30 Jahren.
Autor: Chi Lan Ökonomin

Deep C heisst dort eines der grössten neuen Industriegebiete. Bruno Jaspaert spricht von einer Goldgräberstimmung, wenn er die heute drittgrösste Stadt Vietnams beschreibt. Er ist der Direktor des gigantischen Industrieparks, der zu einem grossen Teil noch am Entstehen ist. «Es ist wie Shanghai vor 20 Jahren,» schwärmt er und meint damit die Aufbruchsstimmung und den Unternehmergeist, von dem alle in der Gegend erfasst worden seien.

Vietnamesischer Industriepark als Vorbild

Er ist denn auch nicht überrascht, dass im Vorfeld von Kim Jong Uns Besuch gemunkelt wurde, der nordkoreanische Führer könnte auf seiner Reise nach Hanoi eventuell einen Zwischenstopp in Haiphong einlegen. «Was Vietnam gemacht hat, wäre definitiv auch eine Lösung für Nordkorea», sagt der Belgier, der schon seit vielen Jahren in der Region arbeitet.

Für Grossinvestitionen muss man wohl noch ein paar Jahre warten.
Autor: Bruno Jaspaert Direktor Industriepark Haiphong

Ein Industriepark nach dem Vorbild von Deep C in Nordkorea, wäre für südkoreanische Firmen, eine Alternative zu ihren Produktionssandorten in Vietnam, sagt er.

Jaspaert warnt jedoch vor allzu viel Optimismus. Er selber würde vorläufig nicht nach Nordkorea investieren. «Die politische Lage ist dafür noch viel zu unsicher. Für Grossinvestitionen muss man wohl noch ein paar Jahre warten.»

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