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Gipfeltreffen in Teheran Putin und Erdogan reisen zu Raisi nach Iran

Offiziell geht es um Syrien. Doch die Haupt-Botschaft des Gipfels ist: Die Welt ist grösser als westliche Interessen – und wir repräsentieren sie.

Darum geht es: Kremlchef Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan treffen heute Irans Präsident Ebrahim Raisi. Bei dem Gipfel in der iranischen Hauptstadt Teheran geht es offiziellen Angaben zufolge um eine Verbesserung der Lage in Syrien. Iran, Russland und die Türkei sind die am stärksten involvierten ausländischen Mächte in dem Bürgerkriegsland. Russland und Iran unterstützen die syrische Regierung, die Türkei dagegen ist mit der Opposition verbündet.

Die drei Präsidenten.
Legende: Beim letzten Gipfel im selben Format 2019 war auf iranischer Seite noch der damalige Präsident Rohani mit von der Partie. Jetz wird Irans neuer Präsident Raisi daran teilnehmen. Keystone

Das heisst es aus Moskau: Nach Kremlangaben geht es bei dem Treffen nicht ausschliesslich um Syrien, sondern um eine ganze Reihe von Fragen zur internationalen Politik, so auch um den Krieg in der Ukraine. Es ist die zweite offiziell bekannte Auslandsreise von Machthaber Wladimir Putin seit Russlands Einmarsch in die Ukraine Ende Februar.

Anti-westliche Verbündete

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Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine kommt ein weiteres Element hinzu: «Die Haupt-Botschaft des Gipfels ist: ‹Die Welt ist grösser, als westliche Interessen – und wir repräsentieren sie›», sagt SRF-Nahostkenner Philipp Scholkmann.

Das Nato-Land Türkei wiederum unterhält sowohl zu Moskau als auch zu Kiew enge Beziehungen und trat zuletzt als Vermittler zwischen beiden Ländern im Streit um in der Ukraine blockierte Getreide-Exporte auf.

Kurz nach Bidens Nahost-Reise

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Biden in Saudi-Arabien.
Legende: Keystone

Das Treffen in Teheran findet kurz nach einer mehrtägigen Reise des US-Präsidenten Joe Biden in die Region statt. Biden kehrte erst am Wochenende aus Saudi-Arabien zurück – dem grossen regionalen Rivalen Irans.

Das sind Irans Interessen: Sowohl Teheran als auch Moskau unterstützen in Syrien das Assad-Regime militärisch, es dürfte hier also einiges zu besprechen geben. Ausserdem hilft ein solches Treffen beiden Regimen «Normalität» zu zelebrieren – trotz des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Konkurrenten beim Öl

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Beim Thema Erdöl sind Russland und Iran Konkurrenten. Beide Länder sind von westlichen Sanktionen belegt und müssen ihr Schwarzes Gold deshalb mit grossen Preisabschlägen an nicht-westliche Staaten wie China oder Indien verkaufen. Sowohl Moskau als auch Teheran kämpfen deshalb darum, ihre Marktanteile zu behalten. «Hier gibt es wohl Konfliktpotenzial zwischen den beiden Freunden», sagt Nahostkenner Scholkmann.

«Das Treffen unterläuft die Vorstellung, dass Russland isoliert sei – das gilt auch für Iran», sagt SRF-Nahostkenner Philipp Scholkmann. Beiden gehe es um den «Kampf gegen einen moralisch zersetzten, dekadenten Westen», und so werde auch die militärische Einmischung in der Nachbarschaft – im Fall Moskaus in der Ukraine und im Fall Iran in Syrien – begründet.

Moskau und Teheran behaupten, es gehe ihnen um den Kampf gegen einen moralisch zersetzten, dekadenten Westen.
Autor: Philipp Scholkmann Nahost-Spezialist SRF

Das will die Türkei: Präsident Erdogan denkt seit Monaten laut über eine neue Offensive seiner Armee im Norden Syriens nach – er will damit gegen die Kurden der YPG vorgehen. ARD-Korrespondentin Karin Senz in Istanbul sagt: «Erdogan will sich von Putin möglicherweise das Ok für seine Offensive holen.» Weil Russland den Luftraum über Syrien kontrolliere, brauche Erdogan die Zustimmung Putins für seine Pläne.

Erdogan will Nato-Erweiterung blockieren

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Erdogan droht erneut mit einer Blockade der Norderweiterung der Nato um Schweden und Finnland. Er verlangt, dass die türkischen Bedingungen dafür eingehalten würden – darunter offenbar die Auslieferung von mehr als 70 «Terroristen», wie Erdogan sie nennt. Es soll sich dabei um Kurden und Anhänger des türkischen Predigers Gülen handeln, die in Schweden leben.

Eine Auslieferung war im offiziellen Dokument zwischen Schweden, Finnland und der Türkei, dank welchem Ankara den Weg für den Nato-Beitritt der beiden nordischen Länder vor einigen Wochen doch noch freimachte, nicht festgehalten worden. Aus Schweden hiess es stets, schwedische Staatsbürger würden nicht ausgeliefert; und nicht-schwedische Bürger könnten auf Ersuchen anderer Länder ausgeliefert werden – allerdings nur, wenn dies vereinbar mit schwedischem Recht und der Europäischen Menschenrechtskonvention sei.

Erdogan möchte in Nordsyrien an der Grenze zur Türkei seit Jahren eine rund 30 Kilometer breite «Sicherheitszone» einrichten und so die Kurden zurückdrängen. «Zudem steht Erdogan innenpolitisch unter massivem Druck – Kritiker sagen, er nütze die Situation aus, um die Reihen hinter sich zu schliessen», sagt Senz.

Das ist die Situation in Syrien: «Die Wirtschaftslage verschlechtert sich immer noch mehr, die Inflationsrate liegt bei 140 Prozent», sagt die Syrerin Salam Said. Sie beschäftigt sich bei der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung mit ihrem Heimatland. Said befürchtet, dass es beim Gipfeltreffen in Teheran nicht wirklich um die Interessen der Menschen in Syrien geht: «Es geht Russland, Iran und der Türkei um die Machtaufteilung in Syrien.»

Helfen würde den Syrerinnen und Syrern dagegen, wenn sich die drei Kriegsparteien dazu verpflichten würden, jegliche militärischen Operationen im Land einzustellen – was aber kaum der Fall sein werde, befürchtet Said. «Die Menschen in Syrien haben keine Hoffnung mehr – wer kann, will nur noch weg aus dem Land.»

SRF 4 News aktuell, 19.07.2022, 06:20 Uhr ; 

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