Die Lage von Goma, der grössten Stadt im Ostkongo, ist idyllisch. Der Kivusee schimmert im Morgenlicht, Händler bieten ihre Ware an. Eine normale ostafrikanische Stadt würde man meinen, betont friedlich und geregelt.
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Bild 1 von 2. Eine friedliche Strassenszene in Goma: Ein Händler bietet Hemden zum Verkauf an. Bildquelle: SRF / Cristina Karrer.
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Bild 2 von 2. Idylle pur? Seit Anfang 2025 sind die Kämpfe zwischen der Rebellengruppe M23 und Regierungstruppen immer wieder eskaliert. Bildquelle: SRF / Cristina Karrer.
Doch der Schein trügt. Die friedliche Stimmung ist erzwungen, ein Resultat der Kontrolle der neuen Herren Gomas, der Rebellenbewegung M23. Sie geben sich betont zivil, treten in Anzügen statt in Uniformen auf und empfangen im teuersten Hotel zum Interview.
Ein Bespitzelungssystem wie in Ruanda
Betrand Bisimwa, die Nummer zwei der M23, wirkt eher wie ein gütiger Pastor denn wie ein kampferprobter Rebellenführer. Mit sanfter Stimme erzählt er, dass sie alle Frieden wollten und Gerechtigkeit für ihre Ethnie, die kongolesischen Tutsis.
Wie die Rebellen Sicherheit im seit Monaten umkämpften Goma herstellen, erklärt er gerne: «Unser System hat mehrere Stufen, zuunterst ist die Bevölkerung, die ist in Häusergruppen eingeteilt, diese berichten dem Quartierchef, wenn sie etwas Verdächtiges bemerken, wie einen Anhänger der kongolesischen Regierung. All diese Informationen gelangen dann zu uns.» Das Bespitzelungssystem hat die M23 vom Nachbarland Ruanda kopiert, das die M23 unterstützt.
Dass die M23 auch Frauen vergewaltigt, Menschen terrorisiert und getötet hat, spürt man in Goma nicht. Wer mit Journalisten vor der Kamera spricht, wie der 35-jährige Stadionsmanager Felicien Tumsifu, ist des Lobes voll. Die M23 habe fliessend Wasser ins Stadium zurückgebracht, es gäbe wieder Strom und endlich würden sie wieder ruhig schlafen. Zuvor habe niemand in Goma geschlafen, Banditen hätten die Stadt unsicher gemacht.
Angst, ins Dorf zurückzukehren
Immaculee Iyamukunda lebt zwanzig Kilometer ausserhalb von Goma. Sie überlebt, indem sie Lavasteine einsammelt und diese für wenige Rappen verkauft. «Ich war bis vor wenigen Monaten in einem Flüchtlingslager. Doch Soldaten haben uns gezwungen, unser Hab und Gut zusammenzupacken. Sie befahlen uns, in unsere Dörfer zurückkehren.» Die 60-Jährige hat Angst zu sagen, dass es Soldaten der M23 gewesen sind.
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Bild 1 von 3. Vulkansteine sammeln, um zu überleben: Sie alle sind aus dem gleichen Dorf geflüchtet und wurden aus dem Flüchtlingslager geworfen. Bildquelle: SRF / Cristina Karrer.
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Bild 2 von 3. Immaculee Iyamukunda will unter keinen Umständen zurück in ihr Dorf. Bildquelle: SRF / Cristina Karrer.
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Bild 3 von 3. Der Stadiummanager sagt vor der Kamera: Seit der Kontrolle der M23 ist vieles besser geworden. Bildquelle: SRF / Cristina Karrer.
In ihrer Hütte schläft sie auf einem Bett aus Lavasteinen, bedeckt mit Stofffetzen, das Wasser muss sie von weit her schleppen – dennoch will sie nicht zurück in ihr Dorf. Sie hat Angst, unterwegs überfallen zu werden.
Kampf um eine lukrative Mine
Hinter ihrer Hütte liegt im Morgendunst eine Bergkette, rund 80 Kilometer von Goma entfernt. Dort befindet sich einer der Hauptgründe für diesen Krieg: Die Mine von Rubaya, die grösste Coltan-Mine der Welt. Das Metall ist zentral für die Herstellung von Handys und Computern.
Die M23 kontrolliert die Mine seit mehr als einem Jahr. Allein durch Steuereinnahmen verdient sie gemäss UNO rund 800'000 Franken pro Tag – und finanziert damit den Krieg. Auf diese Mine wollen weder die M23 noch die kongolesische Regierung verzichten. Sie beschuldigen sich gegenseitig, die in Doha vereinbarte Waffenruhe gebrochen zu haben.
M23 Vizepräsident Bertrand Bisimwa betont, dass die Verhandlungen in Doha dennoch der einzige Weg zu einer Lösung seien. Doch dass sich die Rebellengruppe, wie in Doha vorgeschlagen, aus den eroberten Gebieten zurückziehen wird, ist unwahrscheinlich. Eine politische Lösung liegt nach wie vor in weiter Ferne.