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International Gouverneur von Gaza: «Die Menschen leiden immer noch»

Nach wochenlangen Gefechten herrscht zwischen Israel und der Hamas eine Waffenruhe. Doch von Normalität kann nicht die Rede sein. Abdallah Frangi, der Gouverneur von Gaza, betont: Das einzige Mittel für einen dauerhaften Frieden ist die Zwei-Staaten-Lösung.

Audio
Gespräch mit dem PLO-Gouverneur von Gaza
aus Echo der Zeit vom 13.09.2014.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 43 Sekunden.

50 Tage lang flogen Bomben und Raketen zwischen dem Gazastreifen und Israel. Die Bilanz des Krieges fällt im Gebiet der Palästinenser verheerend aus: Tausende Menschen verloren ihr Leben, Hunderttausende ihr Zuhause und ihre Lebensgrundlage. Nun geht es an den Wiederaufbau. Und um die Frage: Wie und wann gibt es endlich Frieden im Nahen Osten? Ein Interview mit Abdallah Frangi, dem Gouverneur in Gaza.

SRF: Abdallah Frangi, wie ist momentan das Leben in Gaza?

Abdallah Frangi: Es wird noch einige Jahre brauchen, bis wir das Wort «Normalität» benützen können. Die Menschen hier haben es sehr schwer und leiden immer noch. Die Trümmer, die zurückgeblieben sind, sind sehr gross.

Zerstörte Häuser, eine kaputte Infrastruktur – was tun Sie als Gouverneur, um das alles rasch wieder instand zu stellen?

Das ist die Aufgabe der Regierung. Sie haben ihre Ministerien. Es findet eine Zusammenarbeit zwischen allen Parteien statt. Sie versuchen, einen Plan auszuarbeiten – mit Hilfe der NGO's vor Ort und der UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten). Die Menschen helfen sich aber auch stark gegenseitig. Man hat das Gefühl, die Menschen fühlen sich nicht im Stich gelassen.

Was ist denn Ihre konkrete Aufgabe als Gouverneur?

Abdalla Frangi

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Legende: Das blaue Sofa/Klub Bertelsmann

Abdalla Frangi war früher Generaldelegierter der Palästinensischen Autonomiegebiete in Deutschland. Danach amtete er als aussenpolitischer Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Seit kurzem ist Abdallah Frangi Gouverneur in Gaza – der Statthalter der Fatah im Zentrum der Hamas.

Mein Bereich ist die Infrastruktur. Ich erfasse die Zerstörung nochmals und helfe den Menschen, die betroffen oder gar verletzt sind. Wir haben viele Kapazitäten in den Reihen der Palästinenser. Wir brauchen eigentlich keine Fachleute. Wir brauchen die Hilfe, dass wir uns helfen können.

Also sie brauchen Geld. Alle paar Jahre wieder sind die Leute im Gazastreifen am gleichen Punkt. Zuerst wird verhandelt, dann sprechen die Waffen – was muss nun passieren, damit Israel und die Palästinenser aus dieser Endlosschlaufe herausfinden?

Das wichtigste ist, dass der Waffenstillstand fortgesetzt wird und dass keine neuen Kriege entfachen. Die Weltgemeinschaft muss nun in der UNO einen Plan entwerfen und uns unterstützen, damit wir unseren Staat Palästina gründen können. Wir müssen wissen, wann wir unsere Freiheit bekommen, wann wir unseren Staat proklamieren können und wann die Israelis ihre Armee zurückzieht von den palästinensischen Gebieten.

Die Zwei-Staaten-Lösung wird schon lange gefordert. Es gibt viele Lippenbekenntnisse dazu. Woher soll nun dieser Druck kommen, den Sie angesprochen haben, damit sich Israel und die Palästinenser im Gazastreifen die Hand reichen?

Wir haben nun über 20 Jahre mit den Israelis verhandelt. Wir haben Israel anerkannt als Staat. Die Weltgemeinschaft muss uns nun helfen, dass Israel uns wieder anerkennt und unseren Staat akzeptiert. Die einzige Möglichkeit für einen dauerhaften Frieden ist die Zwei-Staaten-Lösung. Wir können nicht mehr dulden, dass Siedlungen in der Westbank neu gebaut werden, dass den Palästinensern erneut Land weggenommen wird.

Sie sagen, wir haben den Staat Israel anerkannt – damit meinen Sie die Fatah? Denn Hamas sagt nach wie vor: «Israel ist unser grösster Feind».

Nein. Die Palästinenser in ihrer Gesamtheit – auch die Hamas – haben diesen Staat akzeptiert, mit seinen Grenzen von 1967. Innerhalb der Palästinenser gibt es die Hamas und andere Organisationen, die vielleicht noch nicht so weit sind, wie wir von der Fatah. Aber in Israel sind über zwei Drittel der Regierung nicht bereit, einen Palästinenserstaat zu akzeptieren. Da kann man nicht fordern, alle Palästinenser müssten Israel anerkennen.

Derzeit liegt eine ganz schwierige Situation vor – und trotzdem liefern sich inmitten dieser die Hamas und die Fatah einen Machtkampf. Beide Organisationen werfen sich gegenseitig vor, die Einheitsregierung zu torpedieren. Wie wollen Sie da vorwärtskommen in Richtung Frieden, wenn sie schon untereinander derart zerstritten sind?

Das nenne ich nicht Zerstrittenheit, sondern Meinungsverschiedenheiten. Wir haben es ja geschafft, vor einem Monat, dass wir eine Einheitsregierung gebildet haben. Zudem haben wir eine gemeinsame Delegation. Deswegen betrachte ich diese Probleme nicht als Hindernis.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas – Ihr Chef – hat letzte Woche selbst davor gewarnt. Er sagte, die Hamas würde im Gazastreifen eine Parallelregierung unterhalten und die Fatah damit sabotieren.

Wir versuchen nun diese Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und der Hamas zu lösen, indem wir direkt in Kontakt treten. Dafür hat jede Partei ein Komitee. Kuwait unterstützt uns, damit wir dieses Problem nun ausdiskutieren.

Wie ist denn Ihre Arbeit als Fatah-Vertreter im Hamas-Gebiet? Kämpfen Sie da nicht an gegen ein ständiges Misstrauen und eine Art Schattenregierung?

Nein. Meine Aufgabe ist die Bildung einer Infrastruktur – die politischen Aufgaben werden von anderen Leuten in der Delegation übernommen. Wir konsultieren uns gegenseitig und reden darüber. Ich glaube, wir haben inzwischen ein System, mit dem wir die Probleme gemeinsam unter Kontrolle bringen. Ich gebe zu, es ist sehr schwierig bei uns. Aber trotzdem: Wir werden es schaffen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald eine Einigung finden und dann besser Druck auf die Welt erzeugen können – damit uns geholfen wird, den Staat Palästina entstehen zu lassen.

Die palästinensische Einheitsregierung sollte ja nur der erste Schritt sein hin zu mehr Demokratie. Sind gemeinsame Wahlen in absehbarer Zeit wirklich realistisch?

Wir werden in rund einem Jahr so weit kommen, dass wir die Wahlen durchführen können. In der Westbank, Ostjerusalem und im Gazastreifen.

Das Interview führte Ursula Hürzeler.

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