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Gray-Bericht veröffentlicht Johnson ist angeschlagen – auch ohne Details zu «Partygate»

Wer hat wann wie gefeiert, am britischen Regierungssitz in London? Der Antwort auf diese Frage, die für das politische Schicksal von Premierminister Boris Johnson entscheidend ist, wurde in den letzten Wochen nachgegangen. Die unabhängige Untersuchung von Spitzenbeamtin Sue Gray ist keine Ermittlung, sondern eher ein Einblick in die Betriebskultur hinter der berühmten schwarzen Tür in Downing Street No 10. Die Staatsekretärin kommt zum Schluss, dass dort während des Lockdowns Partys stattgefunden haben, die nicht hätten stattfinden dürfen. Es wird ein Benehmen beschrieben, das «nicht den Erwartungen der Öffentlichkeit entspricht».

Trotz dieser deutlichen Worte fehlt im Bericht eine Schlussfolgerung oder eine Empfehlung. Denn seit vergangener Woche ermittelt auch die Polizei, wer, wann die Covid-Regeln in Downing Street gebrochen hat. Aus diesem Grund hat die Metropolitan Police Staatssekretärin Sue Gray gebeten, ihren Bericht so zu redigieren, dass er den polizeilichen Ermittlungen nicht vorgreift.

Keine Aussagen aufgrund polizeilicher Ermittlungen

Die Einschaltung der Polizei wurde vor einer Woche in der Öffentlichkeit noch als dramatische Wende in der Party-Saga empfunden. Mittlerweile entpuppt sich die Ermittlung für Boris Johnson jedoch als Glücksfall. Kritische Fragen konnte er heute im Parlament mit dem Argument kontern, dass er zu einer laufenden Ermittlung der Polizei keine Aussagen machen dürfe. Zudem arbeitet die Zeit für ihn. Bis diese Ermittlungen abgeschlossen sind, könnte es allenfalls noch Wochen dauern. Boris Johnson kann also darauf spekulieren, dass das Interesse des Publikums an dieser Geschichte zunehmend abnehmen wird.

Während rund zwei Minuten hat Boris Johnson nach Veröffentlichung des Berichts im Parlament Reue und Demut gezeigt, hat dann aber rasch wieder sein Selbstvertrauen zurückgewonnen und die Verdienste seiner Regierung hervorgehoben.

Für Konservative Partei noch tragbar?

Zurücktreten wird Johnson vorderhand nicht, das wurde klar. Aber er ist beschädigt. Denn die Schlussfolgerung des Berichts ist der britischen Öffentlichkeit bekannt, selbst wenn sie nicht publiziert wurde. Sie lässt sich weder einschwärzen, noch redigieren.

Sue Gray fand während ihrer Untersuchung in Downing Street offenbar so schwerwiegende Hinweise auf Verstösse, dass sie der Polizei gemeldet werden mussten. Das heisst, die Konservative Partei muss sich überlegen, ob ein Premierminister, der öffentlich so beschädigt ist, noch tragbar ist. Nicht nur für die Partei, sondern ebenso für das Land.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Rendez-vous, 31.01.2022, 12.30 Uhr

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