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Grenzen zu wegen Corona Gestrandete Australier: «Die Leute sind verzweifelt»

35'000 Australierinnen und Australier sitzen wegen Corona im Ausland fest. Einige planen nun eine Überfahrt per Boot.

Grenzen geschlossen: Das gilt in Australien seit eineinhalb Jahren wegen der Corona-Pandemie. Was das Virus draussen halten soll, hat auch Folgen für rund 35'000 Australierinnen und Australier im Ausland.

Sie sitzen dort seit vergangenem Jahr fest. Viele haben kein Geld mehr, keine Jobs, keine Wohnung. «Für viele ist es tatsächlich eine katastrophale Situation», sagt SRF-Australien-Mitarbeiter Urs Wälterlin.

Sie können nicht zurück, weil es kaum Flüge gibt: Nur 3000 Personen pro Woche werden ins Land gelassen. «Da gibt es natürlich einen Kampf um jeden Sitzplatz in den wenigen Flugzeugen, die überhaupt kommen.»

Nur wenige, teure Rückflugtickets

Zu kaufen gebe es fast nur Business- oder Erstklasssitze. «Bis zu 15'000 Franken legt man dafür hin. Man stelle sich vor, was das für eine ganze Familie bedeutet.» Hinzu komme die Quarantäne nach der Ankunft. Diese koste weitere 2500 Franken. «Leider hilft die Regierung nicht. Ab und zu gab es zwar einen Sonderflug. Aber die Leute sind verzweifelt.»

Viele hätten ihre Familie in Australien seit Beginn der Pandemie nicht mehr gesehen. «Eltern sterben hier, Kinder werden geboren und man muss alles über Zoom oder Skype miterleben», erzählt Wälterlin.

Bootsmiete statt auf Flug warten

Die gestrandeten Australierinnen und Australier im Ausland werden immer erfinderischer, um irgendwie nach Hause zu kommen. So gibt es Berichte, wonach einige der rund 750 Australier, die in Indonesien registriert sind, mit dem Boot über das Meer heimkehren wollen.

Sie wollen von einer indonesischen Insel in den nördlichen Hafen von Darwin reisen. Das sind mehrere hundert Kilometer und mehrere Tage Fahrt. Das australische Innenministerium ging so weit, dass es vor solchen Plänen warnte, weil es sehr gefährliche Gewässer sind.

Hochhäuser, Boote
Legende: Indonesien besteht aus über 10'000 Inseln. Viele sind nur per Boot erreichbar. Keystone

«Man kann nicht einfach in einem Fischerboot rüberpaddeln», sagt Wälterlin. Es handle sich um eine Asylroute für Geflüchtete aus der ganzen Welt. «Leider ertrinken viele unterwegs.» Wer so mit dem Boot kommt, dürfe nicht in Australien bleiben. «Das gilt natürlich nicht für Australierinnen und Australier. Aber sie müssen dann in Quarantäne.»

Flüchtlinge sind in der Regel auf hölzerne Fischerboote angewiesen. Nun gibt es offenbar ein paar indonesische Schiffsunternehmer, die normalerweise Touristen zwischen den Inseln herumfahren, die ein Geschäft wittern. «Sie bieten kein Hochseeschiff und keine Luxusdampfer an, sondern einfach Schiffe, die für den Verkehr zwischen den Inseln genutzt werden.» Aber diese seien extrem teuer.

«Ein Plan, von dem ich gehört habe, war, eines dieser Schiffe für zehn Leute für umgerechnet 55'000 Franken zu mieten. Das ist viel. Aber ein Flugticket 1. Klasse nach Australien, etwa aus Europa, ist noch teurer.»

Ausreise ebenfalls erschwert

Aber nicht nur Zurückreisen in die Heimat ist nicht mehr möglich, auch Ausreisen aus Australien ist schwierig. Das gilt auch für Wälterlin, der in der Nähe der Hauptstadt lebt. Die Stimmung sei derzeit angespannt, sagt er. «Wir haben hier Lockdown über Lockdown, in Sydney seit mehreren Wochen, jetzt auch hier in Canberra. Ausreisen ist nur im absoluten Ausnahmefall erlaubt, mit Sondererlaubnis der Regierung.»

Man könne durchaus sagen: «Australien wird wieder zur Sträflingsinsel. Als solche hat das moderne Australien ja angefangen vor mehr als 200 Jahren», so Wälterlin. Ein Beobachter habe es jüngst das «Nordkorea des Südpazifiks» genannt. «So abgeschottet sind wir vom Rest der Welt.»

Echo der Zeit, 14.08.2021, 18:00 Uhr ; 

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