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Grenzregion Evros Migranten werden in Griechenland der Brandstiftung beschuldigt

Griechenland kämpft gegen schwere Waldbrände nahe der Grenze zur Türkei. In den Wäldern verstecken sich immer wieder Migrantinnen und Migranten, die illegal über die Türkei nach Griechenland kommen. Vergangene Woche wurden 18 verbrannte Leichen gefunden – die Behörden gehen davon aus, dass es Migranten waren, die den Bränden nicht mehr entkommen konnten. In der aktuellen Debatte in Griechenland sind die Migrantinnen und Migranten aber keine Opfer, sondern Täter. Sie werden beschuldigt, die Brände gelegt zu haben. Rechte Gruppen heizen laut der freien Journalistin Corinna Jessen die Debatte an.

Corinna Jessen

Journalistin

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Corinna Jessen ist freie Journalistin in Athen und Korrespondentin für mehrere deutschsprachige Fernsehsender und Tageszeitungen. Sie ist in Athen geboren und aufgewachsen. Studiert hat sie in Deutschland.

SRF News: Was weiss man mittlerweile über die 18 Personen, die gestorben sind?

Corinna Jessen: Die griechischen Behörden argumentieren, es müsse sich um Geflüchtete handeln, da es keine Vermisstenanzeigen gibt. Zudem kursiert ein Video, welches eine Aktivistin veröffentlicht hat. Darauf ist zu sehen, wie diese Menschen vor den Flammen fliehen. Es sind wohl die letzten Aufzeichnungen, die diese Menschen mit ihren Handys gemacht und ihren Verwandten geschickt haben.

Eine Art Bürgerwehr macht Jagd auf muslimische Migranten und Migrantinnen.

Sie stehen nun selbst im Verdacht, Brandstifter zu sein. Ein Mann prahlte in einem Video damit, 25 Geflüchtete deswegen festgenommen zu haben.

Die Geflüchteten campieren in den Wäldern – es gibt aber keinerlei Hinweise darauf, dass diese 18 unter tragischen Umständen verstorbenen Menschen Verantwortung für die Waldbrände tragen. In der Grenzregion Evros hat sich aber eine Stimmung etabliert, die als extrem nationalistisch und fast schon religiös-fanatisch bezeichnet werden kann. Eine Art Bürgerwehr macht Jagd auf muslimische Migranten und Migrantinnen. Aus den Reihen dieser Bürgerwehr stammt auch das Video, auf dem zwei völlig verängstigte Migranten zu sehen sind, die in einem Trailer eingeschlossen sind. Derjenige, der dieses Video veröffentlicht hat, ist zusammen mit zwei Mittätern wegen Freiheitsberaubung festgenommen, aber auch wieder auf freien Fuss gesetzt worden.

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass diese 18 unter tragischen Umständen verstorbenen Menschen Verantwortung für die Waldbrände tragen.

Neun der 25 Personen, die der Mann aufgegriffen hatte, werden aber beschuldigt, Brandstifter zu sein – und dies nur aufgrund der Aussage der Bürgerwehr. Als «Beweismittel» gibt es einen Autoreifen, mit dem die Syrer angeblich hätten Feuer legen wollen.

Ein Anwohner der Ortschaft Dikela in der Grenzregion Evros inmitten der verheerenden Brände.
Legende: Ein Anwohner der Ortschaft Dikela in der Grenzregion Evros inmitten der verheerenden Brände. Keystone/AP/Achilleas Chiras

Die Stimmung ist also aufgeheizt. Wer versucht denn, daraus politisch Kapital zu schlagen?

Profitiert hat bisher vor allem die rechte Partei «Griechische Lösung» von Kyriakos Velopoulos. Einer der lautesten Wortführer der Bürgerwehr, Paris Papadakis, sitzt in Athen für die «Griechische Lösung» im Parlament und hat in sozialen Medien auch behauptet, die Migranten würden die Arbeit von Löschhubschraubern behindern. Zudem hat er seine Anhänger ziemlich unverhohlen zu Gewalttaten aufgefordert.

Wie agiert die konservative Regierung unter Regierungschef Kyriakos Mitsotakis?

Bisher hat Mitsotakis die selbst ernannten Grenzschützer fast schon hofiert. Diese eher laxe Haltung, um es mal vorsichtig zu sagen, dürfte die Angst der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia zum Ausdruck bringen, weitere Wähler an die extreme Rechte zu verlieren.

Vielen Bürgern erweckt diese plötzliche Schärfe, Brandstifter verfolgen zu wollen, den Verdacht, die Regierung wolle über die eigene Unfähigkeit bei der Brandbekämpfung und Prävention hinwegtäuschen.

Es fällt aber auch auf, dass die Regierung in Athen neben dem Klimawandel vor allem Brandstiftung aller Art für die Brände verantwortlich gemacht hat. Diese gibt es zweifellos, aber vielen Bürgern erweckt diese plötzliche Schärfe, Brandstifter verfolgen zu wollen, den Verdacht, die Regierung wolle über die eigene Unfähigkeit bei der Brandbekämpfung und Prävention hinwegtäuschen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 26.8.2023, 18 Uhr ; 

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