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Grenzstreit Slowenien-Kroatien «Ein schlechtes Beispiel für andere EU-Beitrittskandidaten»

Seit Jahren streiten sich Kroatien und Slowenien um die Grenzziehung in der Bucht von Piran. Jetzt soll ein Urteil dazu umgesetzt werden – und das hat Konfliktpotenzial, sagt der SRF-Redaktor Walter Müller.

SRF News: Wird der Schiedsspruch, der Slowenien zwei Drittel der Bucht von Piran zuspricht, tatsächlich umgesetzt?

Walter Müller: Ja. Die slowenische Regierung will ihn umsetzen – allerdings erst am Samstag. Slowenien verlangt dasselbe auch von Kroatien. Die kroatische Regierung denkt aber nicht daran, es zu tun. Sie ignoriert den Schiedsspruch konsequent.

Was ist der Ursprung dieses Konflikts?

Die Grenzstreitigkeiten haben 1992 mit dem Zerfall Jugoslawiens angefangen. Unter den jugoslawischen Bruderstaaten waren die Grenzen nicht so wichtig und deshalb auch ungenau und unklar.

Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden die Grenzen plötzlich sehr wichtig.

Als sich aber ein Staat nach dem anderen unabhängig erklärte und Krieg geführt wurde, wurden die Grenzen plötzlich sehr wichtig – auch zwischen den Nachbarstaaten Slowenien und Kroatien. Inzwischen sind beide in der EU und piesacken sich trotzdem noch gegenseitig.

Walter Müller
Legende: Walter Müller ist Südosteuropa-Mitarbeiter von SRF. SRF

Wieso ist die Piran-Bucht für Slowenien so wichtig?

Sie ist Sloweniens einziger Zugang zum Meer. Dort liegt auch der Hafen von Koper, den die Slowenen in den vergangenen Jahren zu einem Frachthafen ausgebaut haben. Klar wird die Wichtigkeit für Slowenien auch, wenn man die Küstenlänge der Länder vergleicht: Slowenien hat 46 Kilometer, Kroatien 1700.

Wieso ist Kroatien nicht bereit, Zugeständnisse zu machen?

Kroatiens Regierungspolitiker sind in ihrem Stolz verletzt und nutzen den Konflikt innenpolitisch aus. Slowenien ist seit 2003 in der EU und hat den EU-Beitritt Kroatiens wegen den offenen Grenzfragen über ein Jahr lang blockiert. Kroatien hat danach zähneknirschend in ein Schlichtungsverfahren am Schiedsgericht in Den Haag eingewilligt. Im Sommer 2013 ist es ebenfalls EU-Mitglied geworden.

2015 ist Kroatien aus diesem Schiedsgericht ausgestiegen. Was war der Grund?

Eine dumme und fahrlässige Indiskretion. Eine Mitarbeiterin des slowenischen Aussenministeriums hat mit dem slowenischen Richter im Den Haager Gremium telefoniert. Er erzählte freimütig, die Sache sei im Sinne Sloweniens entschieden worden.

Kroatien kann jetzt nicht einfach so tun, als ob dieses Urteil nicht bestehe

Der kroatische Geheimdienst hörte dieses Gespräch ab und ein halbes Jahr später machte es eine kroatische Zeitung publik. Richter unterstehen der Schweigepflicht und so entwickelte sich ein perfekter Skandal.

Wie ging es weiter?

Kroatien steig 2015 aus dem Schiedsverfahren aus. Das Schiedsgericht wechselte daraufhin Richter aus und entschied vor einem halben Jahr, dass Slowenien zwei Drittel der Bucht von Piran sowie einen Korridor in internationale Gewässer erhält.

Kroatien kann jetzt aber nicht einfach so tun, als ob dieses Urteil nicht bestehe. Das Anerkennen des Schiedsverfahrens war ja eine Voraussetzung für den EU-Beitritt Kroatiens.

Könnte sich dieser Konflikt zuspitzen, wenn Slowenien den Schiedsspruch morgen einseitig umsetzen will?

Beide Länder werden den Konflikt innenpolitisch ausnutzen.

Ich rechne nicht mit viel Gewalt. Beide Länder werden den Konflikt aber innenpolitisch ausnutzen. Das Konfliktverhalten von Slowenien und Kroatien ist zudem ein schlechtes Beispiel für andere EU-Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan – etwa Serbien oder Montenegro.

Man hatte auf Konferenzen versprochen, sich gegenseitig auf dem Weg in die EU zu unterstützen. Jetzt macht man genau das Gegenteil davon.

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