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Tsipras will seine Wahlversprechen durchsetzen
Aus Tagesschau vom 28.01.2015.
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International «Griechenland kann sich das nicht leisten»

Der neue Regierungschef Tsipras will die nationale Souveränität ausbauen. Damit setzt er den Konfrontationskurs gegenüber der EU fort und dürfte bei den anstehenden Troika-Verhandlungen schlechte Karten haben. Doch will er vielleicht gar nicht verhandeln? Das zumindest glaubt Korrespondent van Gent.

SRF: Wiedereinstellung tausender Beamter, Erhöhung des Mindestlohns, 13. Monatsrente für Leute im Ruhestand – das dürfte viel Geld kosten. Kann sich Griechenland das überhaupt leisten?

Werner van Gent: Unter den gegebenen Umständen kann sich das Griechenland nicht leisten. Tsipras will aber mehr Geld durch Steuern einnehmen, die er bei den Reichen eintreiben will. Gleichzeitig hat er gesagt, die vermögenden Griechen sollen sich keine Sorgen machen. Beobachter sind etwas ratlos, wie das aufgehen soll.

Der griechische Regierungschef will auch die Belastung durch die Staatsschulden senken und versucht daher, mit der Troika zu verhandeln. Mit dem Stopp von Privatisierungen verstösst Tsipras aber gegen die Auflagen ihres Hilfsprogramms.

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Einschätzungen von SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck
Aus News-Clip vom 28.01.2015.
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Das geht nicht zusammen, egal wie man es dreht und wendet. Tsipras dürfte dabei sowohl bei der EU wie auch im eigenen Land auf Widerstand stossen. Bei den Privatisierungen geht es beispielsweise um die maroden Flughäfen auf den griechischen Inseln. Ausländische Investitionen hätten die dort herrschenden Missstände beheben sollen. Nun sagt Tsipras, die Infrastruktur dürfe nicht privatisiert werden. Das wird auch in Griechenland sehr schwer zu vermitteln sein. Gegenüber der Troika verschlechtert Tsipras mit dieser Haltung seine Verhandlungsposition. Die Auflagen der Troika sind aber zu streng und haben zu einer Rezession geführt. Da hätte Tsipras ansetzen können, um das enge Korsett der Troika etwas zu lockern – aber nicht, wenn er so auf die Pauke haut.

Wie reagiert die Troika auf die Ankündigungen Tsipras?

In Deutschland sind die Reaktionen bislang negativ. Am Freitag wird der Chef der EU-Gruppe in Athen erwartet. Dann wird sich zeigen, ob die angekündigten Veränderungen absolute Forderungen sind oder ob Verhandlungsspielraum besteht. Es stellt sich die Frage, ob Tsipras mit solchen Ankündigungen überhaupt verhandeln will.

Was passiert, wenn Tsipras hart bleibt?

Dann sehe ich schwarz für Griechenland. Die EU wird nicht den Eindruck erwecken wollen, dass Schulden und Sparprogramme verhandelbar sind.

Welche Rolle im Kurs gegenüber der Troika spielt die rechte Koalitionspartei der Unabhängigen Griechen?

Die sind mindestens so unnachgiebig, wie sich Tsipras im Wahlkampf gegeben hat. Sie sind anti-europäisch und anti-amerikanisch eingestellt. In der griechischen Regierung fallen nun links- und rechtsextreme Positionen zusammen. Das sieht man auch in der Ablehnung der Sanktionen gegen Russland. Sie verstärken also den Konfrontationskurs von Regierungschef Tsipras.

Wie geht es nun weiter?

Am Freitag wird der Chef der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem in Athen erwartet, nächste Woche dürfte weiter verhandelt werden. Es wird sich weisen, ob und welche Lösung sich finden lässt. Der von Tsipras geforderte Schuldenschnitt wird in Europa breit abgelehnt. Am 28. Februar ist aber schon die nächste Schuldentranche fällig. Es ist möglich, dass dafür die Rückzahlungsfristen verlängert und die Zinsen gesenkt werden. Tsipras dürfte das in Griechenland als einen Sieg verkaufen wollen.

Vor diesen Problemen steht die Regierung

ArbeitslosigkeitDas grösste Problem. Zuletzt waren 26,7 Prozent arbeitslos gemeldet – Rekord in der EU. Die Jugendarbeitslosigkeit (15- bis 24-Jährige) liegt sogar bei um die 50 Prozent.
SchuldenDer Schuldenberg dürfte 2014 auf 175 Prozent des BIP gestiegen sein. Die EU-Regeln sehen eigentlich eine Grenze von 60 Prozent vor. Immerhin: Die abgewählte Regierung hat die Neuverschuldung drücken können: Von einem Defizit von rund 12 Prozent 2013 auf knapp 2 Prozent 2014.
SteuernGähnende Leere in den Staatskassen. Allein im Januar soll eine Milliarde Euro fehlen – vor der Wahl beglichen viele Steuerzahler offenbar ihre Schulden nicht. Die neue Regierung kann somit die anfallenden Zinszahlungen nicht abzahlen. Im Sommer dürfte der Staat bankrott sein, dann stehen Schuldenrückzahlungen von 6,5 Milliarden Euro an.
KonjunkturHier gibt es Licht am Horizont. Die Wirtschaft wuchs zuletzt so stark wie in keinem anderen Euro-Land. Auch für dieses Jahr ist ein Wachstum von fast 3 Prozent prognostiziert.

Werner van Gent

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Werner van Gent

Werner van Gent ist freischaffender Korrespondent und lebt seit 1979 in Athen. Der gebürtige Niederländer ist heute auch als Reiseleiter und Buchautor tätig.

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