Es ist ein Bild wie von einer anderen Welt und gleichzeitig überirdisch schön. Stumpen, wo früher Baderesorts standen. Meilenweise trockengelegter Seegrund und kein Wasser in Sicht. Ein verlassener Hafen. «Hier bin ich noch vor einigen Jahren mit dem Kajak durchgepaddelt», erzählt Bonnie Baxter. «Heute können wir zu Fuss gehen.» Die Biologieprofessorin ist fassungslos, wie rasch der Great Salt Lake schrumpft.
Die Berechnungen ergaben, dass der See in etwa fünf Jahren verschwunden sein wird.
Der Salzsee ist ein einzigartiges Ökosystem. Schwankungen des Wasserspiegels sind normal. Doch in den letzten zwei Jahrzehnten sei es rasant abwärts gegangen. Ein Forschungsbericht, den Bonnie Baxter mitverfasst hat, schlägt Alarm. «Wir haben das Tempo, in dem der See schrumpft, gemessen und auf die Zukunft hochgerechnet», sagt Baxter. «Die Berechnungen ergaben, dass der See in etwa fünf Jahren verschwunden sein wird.»
Letzte Zuflucht für Millionen Zugvögel
Der Grosse Salzsee ist ein Wahrzeichen von Utah. Er war durchschnittlich acht Mal so gross wie der Bodensee. Letzten Sommer erreichte er noch die Hälfte dieser Fläche. Der See trägt über eine Milliarde Dollar zur Wirtschaft bei, über 7000 Jobs sind mit ihm verbunden. Und er ist ein einzigartiges Ökosystem.
Baxter tauch ein Messgerät in das Wasser. Sie misst immer höhere Salzwerte. Ist die Salzkonzentration zu hoch, sterben die Kleinlebewesen im Wasser, die rund 10 Millionen Vögel ernähren. Letztes Jahr hat sie hier viel weniger Vögel als üblich gesehen.
«Eine Vogelart, die zu Millionen herkommt, sind Schwarzhalstaucher. Sie fressen zweiundzwanzigtausend Salzkrebse pro Tag.» Eine unglaubliche Menge an Futter, die sie nirgendwo sonst finden können. «Die anderen kleinen Seen im westlichen Korridor sind am Austrocknen. All diese Vögel kommen hierher, um zu fressen, es ist ihre letzte Zuflucht.»
Doch nicht nur die Vögel sind in Gefahr – auch die Menschen, die in der Nähe des Great Salt Lake wohnen. Immer weiter fährt Kevin Perry mit seinem Velo und Messgerät im Schlepptau über den Boden, der einmal Seegrund war. Trocknet er aus, wird er zur Gefahr. Mit seinem Gerät simuliert der Experte für Luftqualität den Wind.
Giftige Staubstürme bedrohen Salt Lake City
«Wenn es starken Wind gibt und es trocken ist, bläst es Staub in die besiedelten Gegenden am See, wo zweieinhalb Millionen Menschen wohnen», erklärt der Professor für Atmosphärenwissenschaften. Die Staubstürme ziehen wie eine Wand über die Stadt Salt Lake City hinweg. Das an sich ist gesundheitsschädlich, wenn der Staub gewisse Konzentrationen erreicht.
Dazu kommt: «Meine Forschung hat auch gezeigt, dass es im Boden eine hohe Konzentration von Arsen gibt. Arsen ist krebserregend und kann zu Haut-, Blasen- oder Lungenkrebs führen, wenn man es über längere Zeit einatmet.»
Das Arsen sei natürlicherweise im Boden enthalten. Perry engagiert sich dafür, die Bevölkerung über den sterbenden See aufzuklären. Denn das Problem und die Lösung liege bei den Menschen.
Der mit Abstand wichtigste Grund ist, dass wir zu viel Wasser verbrauchen.
«Die Leute fragen oft: Schrumpft der See wegen des Klimawandels oder der Dürre? Die tragen dazu bei. Aber der mit Abstand wichtigste Grund ist, dass wir zu viel Wasser verbrauchen.» Am meisten Wasser verwende die Landwirtschaft, aber auch die Städte verschwenden mehr, als das für den See verträglich sei, sagt Perry.
Zu viel Wasser für Landwirtschaft und grüne Rasen
Der Great Salt Lake hat keinen Abfluss. Er ist abhängig von den Zuflüssen. Doch sie bringen nicht mehr genug Wasser in den See. Landwirte nutzen es für die Bewässerung ihrer Felder – und auch Salt Lake City und andere Gemeinden entnehmen Wasser, etwa für grüne Rasen. Dabei liegt Salt Lake City in einem der trockensten Gebiete der USA.
Der See wird nicht innert fünf Jahren austrocknen. Das lassen wir niemals zu.
Im Kapitol von Utah wurden verschiedene Beschlüsse für den See verabschiedet – mit seltener überparteilicher Unterstützung. Rund 300 Millionen Dollar seien etwa in wassersparende Technologien investiert worden, sagt der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Brad Wilson. Und es gebe bessere Anreize für Landwirte, ihre Wasserrechte abzugeben.
«Wir haben in den letzten zwei Jahren riesige Fortschritte gemacht», sagt Wilson. «Der See wird nicht innert fünf Jahren austrocknen. Das lassen wir niemals zu.» Wilson sagt, es brauche keine Verbote und Vorgaben. In Utah pflege man zusammenzusitzen und schwierige Probleme ohne Vorgaben der Regierung zu lösen. Wilson ist Republikaner. Er wehrt sich gegen das Bild, dass vor allem die Demokraten um die Umwelt besorgt sind. Auch Republikaner wollten den See bewahren.
Die Siedlungen um den Great Salt Lake sind nicht die einzigen Regionen im Südwesten der USA, die ihre Wasserressourcen übernutzen. Auch an anderen Orten in Arizona, Nevada und Kalifornien wird das Wasser knapp. Der Great Salt Lake könnte ein Vorbild sein – wenn es gelingt, den Wasserverbrauch zu reduzieren.
Bonnie Baxter fürchtet, dass die beschlossenen Gesetze nicht genug sind. «Es ist zu wenig und zu spät. Aber es ist immerhin etwas. Nur brauchen wir alles.»
Die «Korallenriffe» des Great Salt Lake sterben
Kevin Perry ist in einer Expertengruppe, die weitere Massnahmen für den See überprüft. Es eilt. Er führt uns zu einer Stelle am Ufer, wo buckelförmige Strukturen aus dem Wasser ragen. Es sind die toten Überreste einer trockengelegten Mikroben-Gemeinschaft. «Es ist wie ein Korallenriff für den Great Salt Lake», erklärt Perry. Eigentlich sollte es unter Wasser liegen und mit lebenden Algen bewachsen sein. Dort legen die Salzfliegen ihre Eier. «Normalerweise gibt es hier im Herbst so viele Fliegen, dass die Vögel mit geöffnetem Schnabel durch sie hindurchrennen und sie nicht verfehlen können», schildert Perry mit Wehmut. Doch letzten Herbst habe er fast keine Fliegen mehr gesehen.
Immerhin: Diesen Winter ist besonders viel Schnee gefallen. Das wird den See nicht retten, aber es bedeutet eine kleine Pause im Rückgang des Wassers. Perry, Baxter und Wilson sagen, dass der Great Salt Lake den Menschen hier sehr am Herzen liege. Mit dem Wissen darum, wie es um den See steht, steige auch die Bereitschaft, den Wasserverbrauch zu reduzieren, um den Great Salt Lake zu bewahren.