Vor der Corona-Krise bestimmten Rechtsaussen-Parteien vielerorts den Ton der politischen Debatten. Nun sind deren Zustimmungswerte in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien gesunken, wie ein Bericht des Instituts für Deutsche Wirtschaft im Auftrag der Zeitschrift «Der Spiegel» zeigt. Die weitere Entwicklung werde sich mit der drohenden Rezession zeigen, sagt die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele.
SRF News: Warum haben Rechtsaussen-Parteien Mühe, in der Corona-Debatte eine wichtige Rolle zu spielen?
Andrea Römmele: In solchen Krisenzeiten schlägt die Stunde der politischen Amtsinhaber, die auch Entscheidungen treffen können. Zugleich ist den Rechtspopulisten mit dem Coronavirus auch ein bisschen der Sündenbock abhandengekommen.
Zu Recht im Kreuzfeuer steht die EU, weil sie keine Lösungen findet.
Aber wäre nicht die Zeit günstig angesichts der Ängste, der Verunsicherung und einer EU, die in ihrem Krisenmanagement angreifbar ist?
So viele Angriffspunkte sehe ich momentan nicht. Man könnte natürlich im Stil des US-Präsidenten vom «chinesischen Virus» sprechen und das nationale Narrativ bedienen. Für Deutschland und Europa sehe ich das aber momentan nicht so stark. Das liegt sicherlich am sehr guten Krisenmanagement etwa von Kanzlerin Angela Merkel mit ihren Ministern und Experten. Auch andere Länder werden für ihr Krisenmanagement gelobt.
Zu Recht im Kreuzfeuer steht aber die Europäische Union, weil sie keine Lösungen findet. Das ist eine grosse Kraftprobe. Es ist insgesamt eine grosse Probe für die EU, ob man die Gemeinschaft wiederfindet oder weiter in nationale Lösungen und Nationalismus verfällt.
Ist das nicht Aspekt, wo die Rechtsaussen-Parteien andocken könnten?
Das könnten sie, doch finden sie in der breiten Öffentlichkeit momentan kein Gehör dafür. Das liegt daran, dass jetzt Amtsträger, Wissenschaft und Experten am Zug sind. Die Populisten finden weniger Gehör als sonst. Denn sie sitzen in der Opposition, einmal abgesehen von Ungarn und dem aus der EU ausgeschiedenen Grossbritannien.
Populisten hetzen oft gegen Eliten, die sich angeblich für etwas Besseres halten. Geht diese Rechnung nicht auf in der Stunde der Experten?
Ich gehe davon aus, dass in der breiten Öffentlichkeit das Verständnis dafür wieder wächst, wie wichtig Politik auf der Grundlage von Fakten ist. Populisten greifen bekanntlich gerne das Mediensystem an, Stichwort «Lügenpresse». Ich denke, dass vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier wirklich eine Renaissance erlebt. Denn dieser setzt stärker denn je auf Information und Fakten, wozu natürlich die Experten ganz klar ihren Beitrag leisten. Gleiches gilt natürlich auch für die privaten Medien.
Was passiert, wenn wegen der wirtschaftlichen Probleme die Arbeitslosigkeit stark zunimmt?
Das ist die grosse Frage: Wie kommen alle aus dieser Krise wieder heraus. Die Wirtschaftswissenschaftler sagen eine schwere Rezession voraus. Die Schere zwischen Arm und Reich werde sich weiter öffnen. Es bleibt abzuwarten, wie die staatlichen Rettungspakete greifen. Aber das wird es sicherlich wieder neuen Nährboden für Populisten geben.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.