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Grundsatzrede des Kanzlers Neustart oder Neuwahlen in Österreich?

Der österreichische Kanzler Christian Kern präsentierte gestern in Wels seinen «Plan A». Welche andere Partei jedoch die Schlagzeilen dominierte, sagt Alexandra Föderl-Schmid, Chefredaktorin der österreichischen Tageszeitung «Der Standard», im Interview.

Acht Monate nach Amtsantritt hat der sozialdemokratische Kanzler Christian Kern seine Agenda für das Jahr 2020 vorgelegt. In Wels – heute die grösste Stadt, die von der rechtsnationalen FPÖ regiert wird. Es geht um Mindestlohn, Erbschaftssteuern und Inländervorrang. Kerns Plan A. Alexandra Föderl-Schmid, Chefredaktorin der österreichischen Tageszeitung «Der Standard», zu Kerns Plänen.

SRF News: Überzeugt Sie Plan A?

Alexandra Föderl-Schmid: Es war eine gut inszenierte Rede. Die wesentlichen Zukunftsthemen wurden angesprochen. Allerdings stellt sich jeder die Frage: Warum hat man sie nicht schon lange umgesetzt?

Greifen wir zwei konkrete Punkte aus dieser Agenda 2020 heraus: Kern will sich bei der EU für einen Inländervorrang einsetzen – und einen Mindestlohn von 1500 Euro einführen. Wie populär sind diese Vorhaben in Österreich?

Das Thema Mindestlohn hat Kern nur kurz angetippt, um den Koalitionspartner nicht zu sehr zu reizen. Da braucht er die Zustimmung der konservativen ÖVP.

Der Inländervorrang ist sicher etwas, mit dem er Wähler der rechtspopulistischen FPÖ zurückgewinnen will.
Autor: Alexandra Föderl-Schmid «Der Standard»-Chefredaktorin

Dazu muss er allerdings Mitstreiter in der Union gewinnen. Er denkt daran an die SPD. Doch die österreichischen Gewerkschaften fordern seit Jahren den Inländervorrang und haben ihn auch bei der Aufnahme der neuen EU-Länder durchgesetzt. Deutschland und Österreich waren damals diejenigen, die den Zugang für die Arbeitskräfte aus Osteuropa am längsten blockierten.

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Soweit also die Vision: Kerns SPÖ regiert zusammen mit der konservativen ÖVP. Harmonie sieht anders aus. Wir die ÖVP mitmachen, was sich Kern da ausgedacht hat?

Immerhin tagte gestern nur ein paar hundert Kilometer entfernt von Wels die ÖVP. Bei ihrem Programm gibt es viele Überschneidungen, und da stellt sich die Frage: Warum haben sie nicht zusammen ein Programm erarbeitet? Einige Punkte könnten sie sofort gemeinsam in der Regierung umsetzen. Der reguläre Wahltermin ist in 18 Monaten. Die Frage ist nun: Wollen sie es nochmals gemeinsam versuchen und diese Zeit nutzen, um gemeinsam für Österreich zu arbeiten? Oder gehen sie in Neuwahlen?

Die ÖVP hat es gestern geschafft, die Kanzlerrede mit einer Ankündigung in den Hintergrund zu rücken: Sie will die Obergrenze für Asylbewerber auf 17000 halbieren.
Autor: Alexandra Föderl-Schmid «Der Standard»-Chefredaktorin

Bundeskanzler Kern hat sich in Wels zu Beginn seiner Rede entschuldigt für die – Zitat – «Enttäuschungen», welche SPÖ-Regierungen bereitet hätten. Kern will die FPÖ-Wähler wieder zurückgewinnen. Ist das glaubwürdig?

Das ist alles Teil seiner Inszenierung. Als er vor sieben Monaten antrat, war es noch glaubwürdig. Aber jetzt muss er allmählich in den Umsetzungs-Modus kommen. Es reicht nicht, sich zu entschuldigen und quasi einfach seinem Vorgänger die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber insgesamt versammeln die Sozialdemokraten sich hinter ihm. Er ist der einzige, welcher der FPÖ in einem Wahlkampf auch Paroli bieten könnte.

Zusammengefasst: Wie nachhaltig ist der Plan A?

Wenn er umgesetzt werden würde, wäre er sehr nachhaltig. Er will ein mehrheitsförderndes Wahlsystem, also weg vom jetzigen Wahlrecht. Das würde auch die Position eines Regierungschefs stärken.

In den nächsten Wochen muss nun geklärt werden: Neustart oder Neuwahlen in Österreich?
Autor: Alexandra Föderl-Schmid «Der Standard»-Chefredaktorin

Das Interview führte Salvador Atasoy.

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