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ICC erlässt internationalen Strafbefehl gegen Putin
Aus Echo der Zeit vom 17.03.2023. Bild: REUTERS/Sputnik/Mikhail Metzel
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Haftbefehl gegen Kremlchef Verschwindet Putin bald hinter Gittern – als Kriegsverbrecher?

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag hat einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen. Der russische Präsident sei verantwortlich für Kriegsverbrechen in der Ukraine. Wegen ähnlicher Vorwürfe gibt es auch einen Haftbefehl gegen Maria Lvova-Belova, Putins Beauftragte für Kinderrechte. Der Journalist Thomas Verfuss in Den Haag berichtet seit Jahren über den ICC. Er erklärt, was der Haftbefehl für Putin bedeutet.

Thomas Verfuss

Thomas Verfuss

Korrespondent am ICC

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Thomas Verfuss berichtet als freier Journalist in Den Haag über den Internationalen Strafgerichtshof (ICC).

SRF News: Was genau wirft der ICC den beiden vor?

Thomas Verfuss: Chefankläger Karim Khan wirft Putin und Lvova-Belova vor, dass sie hunderte ukrainische Kinder aus Waisen- und Kinderhäusern deportiert und in Russland zur Adoption freigegeben haben sollen. Die Anklage läuft unter Kriegsverbrechen. Khan hat das geschickt gemacht. Wäre es als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden, hätte man auch beweisen müssen, dass es um die Absicht ging, aus den ukrainischen Kindern «kleine Russen» zu machen.

Video
Haftbefehl des ICC gegen Wladimir Putin
Aus Tagesschau vom 18.03.2023.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 29 Sekunden.

Dadurch, dass die beiden der Kriegsverbrechen bezichtigt werden, ist die Deportation entscheidend. Kommt hinzu: Man muss nicht beweisen, dass Putin dies selbst getan hat. Es geht darum, dass er nicht verhindert hat, dass Untergebene es getan haben.

Dass der ICC in der Ukraine ermittelt, war bekannt. Hat man mit einem Haftbefehl gegen Putin rechnen müssen?

Ja und Nein. Dass es Kriegsverbrechen in der Ukraine gegeben hat, haben wir im letzten Jahr schrecklicherweise ständig in den Medien gesehen. Der Haftbefehl ist vom Chefankläger beantragt worden. Hier spielen auch politische Erwägungen mit.

Internationale Strafgerichtsbarkeit braucht Geduld.

Wegen des Transfers der Bevölkerung aus oder in besetztes Gebiet hätte man auch den israelischen Premier Benjamin Netanyahu anklagen können. Der macht das Gleiche wie Putin, nur in die umgekehrte Richtung. Es spielen also Erwägungen politischer Opportunität mit – und die Hoffnung, dass Haftbefehle auch irgendwann einmal umgesetzt werden.

Milošević am ICC in Den Haag
Legende: Als der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević in Belgrad die Macht verlor, wurde er bald darauf in ein Flugzeug nach Den Haag gesteckt. Ähnliches könnte nach einem Putsch auf Putin zukommen, sagt Verfuss. Keystone/AP/Bas Czerwinski

Die geopolitische Lage ist aktuell sehr angespannt. Wie heikel ist ein solcher Haftbefehl in dieser Situation?

Er steht nun da als Symbol. Eine nationale Polizei will immer, dass ein Haftbefehl so schnell wie möglich ausgeführt wird. Internationale Tribunale sind geduldiger. Man denke nur an den ehemaligen Präsidenten des Sudans, Umar al-Baschir. Gegen ihn gab es seit 2009 einen Haftbefehl. Er blieb noch bis 2019 an der Macht. 2020 hat die neue Regierung des Sudans ICC-Chefankläger Khan versprochen, dass man Baschir nach Den Haag schickt. Nun schreiben wir 2023. Internationale Strafgerichtsbarkeit braucht Geduld.

Putin dürfte wegen des Haftbefehls kaum morgen verhaftet werden.

Es sei denn, es gibt einen Putsch in Russland. 1999 hat man gesehen, dass Slobodan Milosevic – damals Präsident Jugoslawiens – vom Jugoslawien-Tribunal am ICC angeklagt wurde. Er blieb damals einfach in Belgrad. 2000 wurde er abgewählt; ein Jahr darauf setzte ihn sein Nachfolger ins Flugzeug nach Den Haag. Wer weiss, was morgen in Russland passiert.

Man darf wohl kaum damit rechnen, dass Putin freiwillig nach Den Haag kommt.

Möglich ist auch, dass ein angeklagter Staatspräsident freiwillig nach Den Haag kommt. Auch das gab es. Nämlich im Fall des ehemaligen kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta. Als er 2013 Präsident wurde, kam er weiterhin freiwillig nach Den Haag (vor dem ICC wurde Kenyatta 2010 wegen Anstiftung zum Mord, Vertreibung und Raub angeklagt. Die Anklage wurde Ende 2014 aus Mangel an Beweisen zurückgezogen, Anm. der Red.). Damit darf man bei Putin wohl kaum rechnen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 17.03.2023, 18 Uhr;

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170 Kommentare

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  • Kommentar von SRF News (SRF)
    Guten Abend liebe Community, vielen Dank für die angeregte Diskussion - wir schliessen die Debatte für heute und wünschen allen einen schönen Abend. Liebe Grüsse, SRF News
  • Kommentar von Franco Caroselli  (FrancoCaroselli)
    Wer verhaftet die früheren US Präsidenten und Generäle für ihre Invasionen? Beginnend seit Chile, Vietnam oder Korea. Oder gelten Ausnahmen, da sie sich Weltpolizei,Terrorbekämpfer oder gegen "das Böse" nennen?
    Frage kritisch nach.
  • Kommentar von Nico Stäger  (Nico Stäger)
    Gibt es eigentlich auch noch eine Unschuldsvermutung?

    Gibt es eigentlich noch irgendwo die Einsicht, dass andere Kulturen andere Sitten haben, andere Mindsets, andere Wertvorstellungen? Vielleicht ist es ja für viele Menschen sogar ein humaner Akt, die Kinder auf diese Weise in Sicherheit zu bringen?

    Und was unterscheidet das von Putin tolerierte oder angeordnete Vorgehen eigentlich von den fürsorgerischen Zwangmassnahmen der Schweiz? Wer wurde da verurteilt?
    1. Antwort von Albert Planta  (Plal)
      Wäre der Kreml nicht in die Ukraine einmarschiert, dann müsste man nicht darüber diskutieren.
    2. Antwort von Brigitte Sponchia  (Brigitte Sponchia)
      Das ist zu verurteilen, wenn sie auf Tibet und Sri Lanka etc anspielen. Aber fand von diesen Ereignissen etwas nach 2002 statt? Denn erst da wurde der ISTGH aktiv, nach Gründung 1999 oder so.
    3. Antwort von Lothar Drack  (bnDt)
      Unter jeglicher S.., sorry, Sie finden wohl auch gute Gründe für all die zivilen Opfer, die Leichen in Strassen, die die Russen auf ihrem Rückzug hinterlassen, gefesselt und Loch im Kopf? All die vergewaltigten Frauen, auch ein humaner Akt? Sorry, mir wird übel!
    4. Antwort von harald keller  (pragmatiker)
      Sie haben wohl keine Kinder Herr Stäger. Es geht mir grad wie dem Herrn Drack...
    5. Antwort von Esther Jordi  (E. Jordi)
      Ansonsten gerade sprachlos schliesse ich mich dem Kommentar von Herrn Drack an.
  • Kommentar von Felix Stern  (Felix Stern)
    Dieser Gerichtshof hat sich für eine politische Farce missbrauchen lassen und seine Glaubwürdigkeit vollständig verspielt. Damit ist diese Clownshow völlig wertlos geworden. Dieser "Haftbefehl" ist wirkungslos, weil es keine Instanz gibt, die ihn durchsetzen könnte. Das einzige, was erreicht wird, ist, dass es eine Verhandlungslösung noch schwieriger macht. Die Ukraine hat den Krieg sowieso verloren und muss kapitulieren. Und jetzt muss der Wesetan auf alles verzichten.
    1. Antwort von Dominic Müller  (Domi3)
      Sie meinten: Russland hat den Krieg sowieso verloren und muss kapitulieren? Oder sind Sie einer derjenigen, die immer noch General aD Vad anhört, der bisher nur Fehlprognosen entwarf? Und: Abwarten! Milosevic dachte auch mal, er werde nie verhaftet.
    2. Antwort von Roger Stahn  (jazz)
      Sehr scharf beobachtet, Herr Stern. Wenn man ferner bedenkt, dass die US-Administration den Vertrag über atomare Mittelstreckenraketen «Intermediate-Range Nuclear Forces» (INF) aus dem Jahr 1987 einseitig kündigte und die USA ihre Atomwaffen-Doktrin für operative Ziele als Erstschlag dahingehend änderte, was bisher die grösste Atommacht der Welt, Russland, in ihrer Atomwaffen-Doktrin so nicht vorsah. Der Kreml äusserte sich nun dahingehend, dass die neuen Pläne der USA für nukleare
    3. Antwort von Roger Stahn  (jazz)
      «Entwaffnungsschläge» Russland dazu zwingen könnte, sich ebenfalls einen nuklearen Erstschlag vorzubehalten. Wenn nun die RAND Corporation (US-Rüstungsindustrie, US-Militärexperten) plötzlich eine 180° Kehrtwendung vollzieht, dann sollte dies zu denken geben. Es ist klar, dass die US-Kriegspropaganda in einem solchen Szenario, schon präventiv Russland als den Schuldigen per se diesbezüglich darstellt, um so die tatsächliche Chronologie und den Wirkmechanismus von Aktion und Reaktion ins
    4. Antwort von Roger Stahn  (jazz)
      Gegenteil verkehrt. Das ist und war schon immer das Wesen der US-Kriegspropaganda seit jeher und die USA halten offenbar auch nichts von der UN-Charta. Gemäss offiziellen Daten des «Congressional Research Service» (https://crsreports.congress.gov/product/pdf/R/R42738), haben die USA zwischen 1991 und 2022 mindestens 251 militärische Interventionen durchgeführt. Verdeckte Methoden der CIA und Staatsstreiche sind dabei nicht einmal erfasst.