Eine enge, kurze Gasse führt zu einer der grossen Partymeilen in der südkoreanischen Millionenmetropole Seoul. In der Nacht auf den 30. Oktober vor einem Jahr kam es dort zu einer tödlichen Katastrophe.
Niemand will für diese Tragödie verantwortlich sein.
Künstler Park, der in dieser Nacht einen guten Freund verloren hat, steht am Eingang der Gasse und beklagt, dass bis jetzt niemand Verantwortung für das Unglück übernommen habe: «Niemand will für diese Tragödie verantwortlich sein.»
Er löst gelbe Post-its von einer Wand in der Gasse, auf denen Nachrichten und Erinnerungen an die Verstorbenen stehen. Ein halbes Dutzend Leute helfen dem Künstler dabei. Sie kommen rund alle zwei Wochen hierher, um die Nachrichten einzusammeln.
Aus den Post-it-Botschaften will das Künstlerkollektiv ein Mahnmal erstellen. «Wir sammeln die Nachrichten, um Platz für ein anderes Memorial zu schaffen», so Park.
Es wird ein Werk, das auch an das Versagen der Behörden in dieser Nacht vor einem Jahr erinnern soll. Die Polizei hat auf Dutzende Notrufe nicht respektive zu spät reagiert. Vorbereitungen, um die erwartete Menge der Partygängerinnen und -gänger zu kontrollieren, wurden keine getroffen.
Was Künstler Park und auch viele Hinterbliebenen aber besonders stört, ist, wie die Katastrophe von den südkoreanischen Behörden und von der Politik aufgearbeitet wurde und wird. So wurden bisher nur Beamte in niedrigen Positionen vor Gericht gestellt, jedoch niemand aus höheren Chargen.
«Wir warten immer noch»
Ein weiterer Vorwurf ist, dass die Regierung nicht die nötigen Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen hat. Ein Gesetz, das die Verantwortung bezüglich Sicherheit bei grossen Menschenaufläufen regeln soll, steckt im Parlament fest. Park: «Wir warten immer noch auf das Sicherheitsgesetz.»
So kommt er mit seinen Kolleginnen und Kollegen alle zwei Wochen, um die Erinnerungen auf den gelben Post-its einzusammeln. Jetzt, wo sich die Halloween-Katastrophe ein erstes Mal jährt, haben sie besonders viel zu tun.