Der Deal fand auf dem Naf-Fluss statt, der Bangladesch und Burma trennt. «Ich ruderte bis zur Mitte, von der anderen Seite kamen die burmesischen Händler. Ich gab ihnen das Geld, sie mir den Stoff – am helllichten Tag.» So schildert es der junge Bangladescher Harun*, der sein Geld im Drogenhandel verdiente. Die Polizei habe dabei von der Küste her zugesehen, sich aber nur für Bestechungsgeld interessiert.
Mit dem Drogenhandel machte Harun gutes Geld. Er handelt mit Yabba, so nennt man Methamphetamin in Bangladesch. Das Nachbarland Burma ist weltweit der grösste Produzent davon, Bangladesch dient als internationaler Warenumschlagsplatz.
Die neue Transportroute
Harun handelte nicht nur mit Yabba, sondern konsumierte auch – eine Tablette pro Tag mindestens. «Ich stritt oft mit meinen Eltern, Yabba entspannte mich», sagt er.
Heute ist Harun auf Entzug in einer Klinik in Cox's Bazar. Der dünne, junge Mann spricht frei über seine Erfahrungen als Drogenhändler. Von der burmesischen Grenze bis in die Hauptstadt Dhaka handelte er mit den roten oder pinkfarbenen Pillen.
Die Flüchtlingswelle von letztem Sommer änderte sein Geschäftsmodell, erklärt Harun weiter: «Ich musste nicht mehr bis zum Naf-Fluss, um die Pillen zu holen. Die Ware war schon im Land.»
Pillen in den Windeln
Fünfzig Lieferanten hatte Harun in den Flüchtlingslagern Kutupalong, Balukhali und Thangkhali, wie er sagt. Es waren so viele, dass die Preise sanken. Offenbar wurden einzelne Rohingya, die im Schatten der über 600'000 Flüchtlinge im letzten halben Jahr die Grenze überquerten, als Träger für den Yabba-Handel benutzt.
Meghna Guhathakurta, die Direktorin der Denkfabrik Research Initiative in Dhaka, überrascht dies nicht. «Möglicherweise werden 20 Prozent der Menschen als Träger eingesetzt», sagt sie. Oft seien es Frauen. Sie würden die Pillen etwa in den Windeln ihrer Babys verstecken.
Frauen und Kinder werden von der Polizei viel weniger streng untersucht als Männer. Ein gefährliches Spiel ist es trotzdem für sie. Rahima* die in einem der Flüchtlingslager lebt und schon drei Mal Yabba transportierte, erklärt, wieso sich die Rohingya trotzdem darauf einlassen: «Wir dürfen in Bangladesch nicht arbeiten. Anfangs versuchte ich, in einer Seifenfabrik im Camp etwas Geld zu verdienen. Doch ich verdiente dort weniger als einen Franken pro Tag. Für jeden Tag, an dem ich fehlte, zogen sie mir 50 Rappen ab.»
Im Lager spricht niemand darüber.
Von Freunden hörte sie, dass man durch das Transportieren von Tabletten mehr Geld verdienen könne: den halben Monatslohn in nur einer Fahrt. Die Rechnung ist schnell gemacht. Rahima erklärt Punkt für Punkt, wie der Handel ablief, wo sie die Tabletten erhielt und wo sie sie weitergab. Lieferanten und Empfänger waren Bangladescher, sagt sie.
Rahima lebt schon länger im Lager. Ob die Neuzuzüger die Tabletten über die Grenze schmuggeln, wie der Ex-Drogenhändler Harun sagt, kann sie nicht bestätigen: «Im Lager spricht niemand darüber. Nicht einmal meine Familie weiss, dass ich einmal Yabba transportiert habe.»
Die Kriminellen sind schon da
Rahima weiss, dass sie das nicht hätte machen dürfen. Sie weiss aber nicht, was Methamphetamine genau sind und was sie mit dem Körper anstellen, sagt sie. Diese Unwissenheit wird schamlos von den Drogenkartellen in Burma und Bangladesch ausgenutzt.
Während die Hilfswerke langsam eine Art Grundversorgung an Nahrung und Medikamenten in den Lagern sicherstellen können und die UNO allmählich einen Überblick über die Anzahl der Flüchtlinge gewinnt, haben sich der Drogen- und wahrscheinlich auch der Menschenhandel schon längst in den Lagern im Süden von Bangladesch festgesetzt.
*Name geändert