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Hardliner im Aufwind Wenn Hetz-Politik salonfähig wird

Ausgrenzung, Diffamierung, Verunglimpfungen: Immer mehr Politiker packen den verbalen Zweihänder aus. Das hat Folgen.

Ob in Brasilien, den USA, Italien oder Deutschland – der Umgangston der Politiker ist ruppiger geworden. Verunglimpfungen sind keine verbalen Ausrutscher mehr, sie gehören ins Standard-Repertoire. Noch vor wenigen Jahren wäre die gezielte Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen undenkbar gewesen. Heute ist sie an der Tagesordnung.

Political Correctness war früher

«Schutz für Menschenrechte: Das heisst in Brasilien Schutz für Kriminelle, Vergewaltiger, Herumtreiber, Entführer und sogar Korrupte.» Mit solchen Aussagen tourte Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro durch das Land. Mit Erfolg, wie man mittlerweile weiss.

Für Sprachwissenschaftler Martin Luginbühl sind Bolsonaros Aussagen im Wahlkampf ein trauriger Tiefpunkt in der politischen Rhetorik. Political Correctness, das war früher. «Was in der Vergangenheit unvorstellbar war, ist heute im öffentlichen politischen Sprachgebrauch sagbar.» Luginbühl ortet hier ein grosses Problem mit weitreichenden Konsequenzen für Politik und Gesellschaft.

Politisch motivierte Gewalttaten nehmen zu. In der vergangenen Woche sorgte eine Serie von Paketbomben in den USA für Aufsehen. Am Samstag tötete ein 46-jähriger Mann bei einem Angriff auf eine Synagoge in Pittsburgh elf Menschen. Die mutmasslichen Täter sollen aus dem rechtskonservativen Lager stammen.

Hetze kann zu Hassverbrechen führen

Zwischen der verschärften Rhetorik in der Politik und den Gewalttaten gibt es einen Zusammenhang, sagt Christina Finch von der OSZE. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa führt eine umfassende Datensammlung zu Hassverbrechen. «Wenn wir Regierungen beraten bei der Bekämpfung von Hassverbrechen, zeigt sich, dass Hetze und verbale Ausgrenzung Faktoren sind, die zu Hassverbrechen führen können.»

Wenn ich sage: ‹Denken Sie nicht an einen Elefanten›, denken Sie trotzdem an einen Elefanten.
Autor: Martin Luginbühl Sprachwissenschaftler

Gegen die harsche Rhetorik von Politikern vorzugehen, ist aber schwierig. Denn: Wer kritisieren will, muss zitieren. Und wer eine Aussage zitiert, der zitiert immer auch die Weltsicht dahinter.

«Selbst wenn man eine bestimmte Deutung negiert, denkt man daran», sagt Sprachwissenschaftler Luginbühl. Er illustriert diese Erkenntnis mit einem bekannten Beispiel: «Wenn ich sage: ‹Denken Sie nicht an einen Elefanten›, denken Sie trotzdem an einen Elefanten.» Genau das machen sich die Politiker zu Nutze.

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