- Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das IKRK, ist in immer mehr Konfliktherden im Einsatz. Das Jahresbudget ist auf zwei Milliarden Franken gestiegen.
- Um zusätzliches Geld zu beschaffen, geht das IKRK neuerdings auch Partnerschaften mit privaten Unternehmen ein.
- Kritiker fürchten nun um die Unabhängigkeit und Neutralität der Hilfsorganisation.
Kaum eine humanitäre Organisation geniesst ein höheres Ansehen als das IKRK. Es ist deshalb kein Wunder, dass eine grosse Recherche in der westschweizer Zeitung «Le Temps» unter dem Titel «die riskanten Beziehungen des IKRK» jüngst für einigen Wirbel sorgte.
Mehr Konflikte, mehr Geld
Das IKRK braucht immer mehr Geld. 1,3 Milliarden Franken betrug der Finanzbedarf 2014, 1,7 Milliarden 2016, und im laufenden Jahr sind es bereits mehr als zwei Milliarden. Immer mehr und immer längere Konflikte verdammen das Rote Kreuz sozusagen zum Wachstum, sagt IKRK-Präsident Peter Maurer. Allerdings sei man sich bewusst, dass es ökonomische Grenzen gebe.
Auf der Suche nach neuen Geldquellen
Bisher zahlten fast ausschliesslich Staaten Beiträge, allen voran die USA, aber auch die EU, Deutschland und nicht zuletzt die Schweiz. Als neue Quelle versucht Maurer private Quellen anzuzapfen. Das IKRK könne durch die Qualität seiner Arbeit bei neuen Geldgebern durchaus punkten, meint der IKRK-Präsident.
Ins Leben gerufen wurde eine Firmen-Unterstützungsgruppe, der ein Dutzend namhafte Unternehmen angehören, von ABB über die Credit Suisse bis zu Roche, der Swiss Re oder Adecco. Dank der Kooperation könne man enorm viel voneinander lernen, begründet etwa die Swiss Re ihr Engagement.
Der Fall Lafarge-Holcim
2017 jedoch führte eine solche Zusammenarbeit zum Eklat: Ein IKRK-Partner, der Zementkonzern Lafarge-Holcim soll über seinen Ableger in Syrien Terrororganisationen unterstützt haben. In Frankreich laufen Untersuchungen gegen Kadermitarbeiter. Das IKRK, das in Syrien eine seiner wichtigsten und heikelsten Operationen hat, musste die Verbindung zu Lafarge-Holcim kappen.
Der Fall zeigt, wie heikel Partnerschaften sind zwischen einer humanitären Organisation und Firmen, die in einem Krisenland ganz andere Interessen verfolgen.
Widerstand ehemaliger Delegierter
Entsprechend regt sich nun Widerstand gegen solche Partnerschaften. In einem Brief an die IKRK-Führung äussern 25 ehemalige Komiteemitglieder und Delegationsleiter ihre Sorge um den Ruf des IKRK, wie die westschweizer Zeitung «Le Temps» schreibt. Auch etliche heutige Delegierte zeigen sich gegenüber «Le Temps» besorgt. Denn die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des IKRK sei ihre Lebensversicherung und eine zwingende Voraussetzung für eine breite Akzeptanz des IKRK in Kriegsgebieten.
IKRK: Der Alleingang ist keine Option
Natürlich ist sich auch die IKRK-Führung der Bedeutung der Neutralität bewusst. Kommunikationsdirektor Ewan Watson betont aber: Die Arbeit in Konflikten sei heute extrem komplex; man müsse jede Chance nützen, von andern, auch von Privatfirmen zu lernen. Es gehe bei diesen Partnerschaften nicht nur um Spendengeld. Der Alleingang sei schlicht keine Option mehr.
So sei etwa die Zusammenarbeit mit Pharmakonzernen bei der medizinischen Versorgung sinnvoll. Und Rückversicherer hätten dasselbe Interesse, Konflikte zu schlichten, wie das IKRK, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Heikler Spagat
Watson räumt aber ein, dass es Risiken gibt. Das IKRK müsse die Firmen sorgfältig auswählen, damit kein Interessenkonflikt oder gar Imageschaden für das IKRK entstehe. Deshalb kämen etwa Rüstungshersteller als Partner nicht in Frage.