Hongkong will sich um zehn Quadratkilometer vergrössern – mit einer künstlichen Insel, die der Wohnungsnot Abhilfe schaffen soll. Rund 260'000 Wohnungen sollen darauf entstehen und der Metropole wieder Luft zum Atmen geben.
Das Projekt ist höchst umstritten, doch den Behörden ist es ernst. SRF-Mitarbeiter Felix Lee erklärt, was das Vorhaben für Hongkong bedeutet und warum Kritiker trotzdem keine Besserung der Wohnsituation erwarten.
SRF News: Wie sind die Reaktionen auf dieses Megaprojekt?
Felix Lee: Die meisten Hongkonger sind sich solche Meldungen gewohnt, denn es wird ja bereits seit Jahrzehnten fleissig aufgeschüttet. Ganze Berge sind geebnet worden, um die Erde abzutragen. Von der Meerenge zum Beispiel, die lange Zeit den natürlichen Hafen Hongkongs ausgemacht hat, ist nicht mehr viel übrig. Schiffe können da nicht mehr durchfahren, weil auf beiden Seite über die Jahre immer mehr aufgeschüttet worden ist.
Gibt es auch Kritik am Vorhaben der Behörden?
Ja, denn zum einen sind da die hohen Kosten, die sich auf umgerechnet fast 80 Milliarden Franken belaufen. Das ist auch für Hongkonger Verhältnisse eine gigantische Summe. Zudem befürchten die Kritiker noch mehr Schäden an der Unterwasserwelt. Dort, wo aufgeschüttet werden soll, befindet sich die Insel Lantau, ein bei den Hongkongern lange Zeit beliebtes Naherholungsgebiet.
Hongkong platzt aus allen Nähten, das Wohnungsproblem ist akut. Diese Insel soll das entschärfen. Das müsste die Menschen doch eigentlich grundsätzlich freuen.
Hongkong ist, was die Wohnpreise betrifft, eine der teuersten Städte der Welt. Für einen zehn Quadratmeter grossen Verschlag werden um die 1'500 Franken Miete pro Monat fällig. Es herrscht wirklich grosse Wohnungsnot. Kritiker befürchten jedoch, dass diese für weniger finanzkräftige Hongkonger durch dieses Projekt kaum gelindert wird. Sie gehen davon aus, dass vor allem teure Luxuswohnungen gebaut werden und wenig sozialer Wohnungsbau stattfindet. Und die teuren Luxuswohnungen leisten sich vor allem reiche Chinesen vom Festland, die darin Spekulationsobjekte wittern.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sich Hongkong mit dieser Insel weiter ans Festland, also an China binden möchte. Was ist damit gemeint?
Da geht es um genau diese Spekulationsgeschäfte der Festland-Chinesen. Tatsächlich ist die Spekulationswut ein wesentlicher Grund für die horrenden Wohnungspreise in Hongkong.
Für einen zehn Quadratmeter grossen Verschlag werden in Hongkong um die 1'500 Franken Miete pro Monat fällig.
Schon jetzt stehen ganze Apartmenthäuser leer, weil sie Festland-Chinesen gehören, die sie aber weder bewohnen noch vermieten. Sie dienen ganz allein der Spekulation.
Mit dem Projekt soll es jetzt zügig vorwärts gehen. Bereits 2025 soll der Start erfolgen, 2032 soll dann alles fertig sein. Das klingt sehr ehrgeizig.
In Hongkong sind bisher fast alle baulichen Grossprojekte in rasanter Geschwindigkeit hochgezogen worden. Für den Grossflughafen, der immerhin der grösste Frachtflughafen der Welt ist, brauchten die Hongkonger gerade einmal acht Jahre Bauzeit. Und damit ist die ganze Aufschüttung mit inbegriffen, denn auch dieser liegt ja auf aufgeschüttetem Land.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.