Zum Inhalt springen

Hundertfacher Kindsmissbrauch Lange Haftstrafen und Sicherheitsverwahrung für zwei Täter

  • Im Prozess um den hundertfachen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde (Nordrhein-Westfalen) hat das Gericht gegen zwei Männer lange Haftstrafen verhängt und anschliessende Sicherungsverwahrung angeordnet.
  • Über Jahre hinweg hatten die beiden Männer das Vertrauen kleiner Kinder erschlichen, um sie zu vergewaltigen.
  • Die zuständige Richterin bezeichnete die Taten der beiden Männer bei der Urteilsverkündung als «abscheulich, monströs und widerwärtig».

Ein 56-jähriger früherer Dauercamper erhielt dafür nun eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren, sein 34-jähriger Mitangeklagter muss zwölf Jahre ins Gefängnis. Das Gericht erachtete es als erwiesen, dass die Verurteilten mit einem «perfiden System» jahrelang insgesamt 32 Opfer missbraucht hatten.

Hunderte Taten blieb jahrelang unentdeckt

Box aufklappen Box zuklappen

Die beiden nun verurteilten Männer gelten als Haupttäter der jahrelang unentdeckt gebliebenen Missbrauchsserie, die nach ihrem Bekanntwerden Ende Januar über Deutschland hinaus Entsetzen auslöste. In dem Verfahren vor dem Landgericht Detmold waren hunderte Taten an 24 Mädchen und acht Jungen angeklagt, die jüngsten Opfer waren vier und fünf Jahre alt.

Nach Gerichtsangaben wurde der 56-Jährige wegen 223-fachen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs und 62-fachen Kindesmissbrauchs verurteilt. Die Strafe gegen den 34-Jährigen erging wegen 48-fachen schweren Kindesmissbrauchs und 99-fachen sexuellen Missbrauchs. Dazu kamen jeweils einige andere Delikte wie die Herstellung kinderpornografischer Schriften und sexuelle Nötigung.

Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda zeigte sich in der Urteilsbegründung überzeugt, dass die Gesamtzahl der Opfer wahrscheinlich noch höher sei. Die Angeklagten hätten 32 Kinder und Jugendliche «zu den Objekten ihrer sexuellen Begierde degradiert».

«Abscheulich, monströs, widerwärtig»

«Nach wie vor fällt es schwer, das Geschehen in Worte zu fassen», sagte Grudda. Worte wie «abscheulich, monströs, widerwärtig» reichten nicht aus, das Geschehen zu beschreiben. «Auch nach zehn Verhandlungstagen bleibt die Fassungslosigkeit.»

Aufrichtige Reue habe die Kammer bei den Angeklagten trotz ihrer Geständnisse nicht festgestellt. Beide hätten offenbar auch nicht ansatzweise erkannt, «was sie wirklich angerichtet haben».

Der Campingplatz.
Legende: Während des Prozesses gab es erneute Durchsuchungen auf dem Campingplatz in Lügde. Keystone

Die beiden Männer hätten sich das Vertrauen der Kinder erschlichen, indem sie auf dem als «Kinderparadies» geltenden Campingplatz von Lügde mit den Opfern Ausflüge unternommen, am Lagerfeuer gesessen und ihnen Geschenke von Süssigkeiten bis hin zu einem Laptop gemacht hätten. Das Glück der Kinder über die vermeintliche Zuwendung der Angeklagten sei aber nur von kurzer Dauer gewesen, sagte Grudda. «Denn schon bald zeigten sie ihr wahres Gesicht.»

Sicherungsverwahrung «zwingend»

Für die verhandelten Missbrauchsfälle hätte das Gericht eine Höchststrafe von 15 Jahren verhängen können. Grudda begründete das geringere Strafmass bei beiden Angeklagten mit deren Geständnissen, die den Opfern eine detaillierte Schilderung der Taten im Zeugenstand erspart hätten. Auch seien beide Angeklagte nicht vorbestraft.

Dies seien aber auch die einzigen Gründe für eine Strafminderung, betonte die Richterin. Das Verhalten und die Taten seien «durch nichts zu entschuldigen».

Auch sei die Sicherungsverwahrung der Männer nach der Haftverbüssung «zwingend erforderlich»: Beide seien weiterhin gefährlich, die Wahrscheinlichkeit weiterer künftiger Missbrauchstaten durch die Angeklagten sei hoch.

Polizei- und Behördenskandal

Der Prozess hatte vor zehn Wochen Ende Juni begonnen. Seither wurden 33 Zeugen, darunter 16 Opfer und zwölf Angehörige, vernommen – aus Opferschutzgründen in weiten Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Am Rande des Prozesses hatten Nebenklägervertreter von schweren Traumata ihrer Mandanten berichtet.

In dem Fall stehen auch Polizei und Jugendämter in der Kritik, weil sie Hinweisen auf den Hauptverdächtigen zunächst nicht nachgegangen sein sollen. Auch bei den Ermittlungen gab es Pannen, unter anderem verschwanden Beweismittel.

Meistgelesene Artikel