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Eine europäische Republik, ganz ohne Grenzen?
Aus SRF 4 News aktuell vom 13.06.2019.
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Idee: Europäische Republik «Wir wollen alle ein Europa, aber nicht unbedingt diese EU»

In Brüssel haben die Verhandlungen für ein mehrheitsfähiges politisches Programm begonnen. Die Parteien werden dabei die Schwerpunkte für die nächsten Jahre setzen. Auch die Politologin Ulrike Guérot denkt über die Zukunft Europas nach. Ihre Idee: Eine europäische Republik. Dies hiesse auch, die Nationalstaaten aufzulösen.

Ulrike Guérot

Ulrike Guérot

Politologin

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Ulrike Guérot leitet das Departement für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems. Sie ist Gründerin der Denkfabrik European Democracy Lab.

SRF News: Wie würde eine solche europäische Republik funktionieren?

Ulrike Guérot: Konkret wenden wir den allgemeinen politischen Gleichheitsgrundsatz auf alle europäischen Bürgerinnen und Bürger an. Wir haben Rechtsgleichheit für Güter und für die Währung. Aber wer noch nicht gleich ist vor dem Recht, sind die europäischen Bürgerinnen und Bürger: Sie sind in letzter Konsequenz immer noch Finnen oder Sloweninnen. Bei dem, was der Soziologe Pierre Rosanvallon das Heiligtum der Bürger nennt – Wahlen, Steuern und Zugang zu sozialen Rechten – sind wir keine europäischen, sondern Nationalstaatsbürger.

Was hiesse dies für die Staaten?

Sie würden in ihrer heutigen Form aufgelöst. Wir hätten eine europäische Republik, eine einheitliche Ebene. Bei der zweiten Kammer habe ich versucht, zeitgenössische Tendenzen abzubilden. Es gibt regionale Bewegungen und Autonomiebestrebungen, etwa in Katalonien oder Schottland. Die Identität sollte von der Nation gelöst werden.

Die europäische Republik hiesse nichts anderes, als das Erbe der französischen Revolution für ganz Europa gültig zu machen.

Meine Idee war: Wie kriegen wir beides unter einen Hut – ein starkes Europa in der Welt und andererseits eine regionale Aufwertung der Bürger und ihrer Identität im politischen System? Im Grunde hiesse die europäische Republik nichts anderes, als das universale Erbe der französischen Revolution für ganz Europa gültig zu machen. Dazu gibt es auch viel Forschung.

Gemälde im Museum
Legende: Sinnbild der französischen Revolution: «La liberté guidant le peuple» (dt.: Die Freiheit führt das Volk) von Eugène Delacroix, gemalt 1830. imago images

Dieses Umdenken dürfte dann aber nicht von der Wissenschaft, sondern vom Volk kommen – und das ist kaum spürbar.

Klar, in den Mainstream-Medien ist es kaum spürbar. Im Vorfeld der Europawahlen hatten wir aber in der Zivilgesellschaft eine grosse Debatte darüber, wie man Europa neu denken kann. Dass Europa nicht funktioniert, kann man auch in Zahlen abbilden. Wenn Sie die europäischen Bürgerinnen und Bürger fragen, wie gut sie die EU auf einer Skala von 0 bis 10 finden, werden sie sagen: 5.1 – das ist zu gut, um auszutreten.

Wir wollen alle ein Europa, aber nicht unbedingt diese EU.

Aber 5.1 ist zu wenig, um sich wohlzufühlen. Insofern ist die aktuelle Debatte genau da: Wie können wir Europa demokratischer und sozialer organisieren? Denn wir wollen alle ein Europa, aber nicht unbedingt diese EU. Wie wir diese Debatte führen, ist die zeitgenössische Frage. Wie wir sie beantworten, steht in den Sternen. Dass das kein Ponyritt wird, weiss ich auch – das war der Euro übrigens auch nicht.

Wie realistisch schätzen Sie Ihre Vision ein?

Das Denkangebot ist im politischen Raum angekommen. Das heisst noch lange nicht, dass das passiert. Ich glaube auch nicht, dass man die europäische Republik wie einen Lego-Bausatz bauen kann. Geschichte passiert immer durch Momente, wo die Welt am Tag danach eine andere ist als zuvor. Und das sind die Momente, in denen Ideen auf einmal in eine politische Realität kommen, von denen wir gestern noch gesagt haben, sie sind unmöglich. Aber können wir Europa so denken, wie es funktionieren würde? Wenn wir die Dinge richtig denken, werden sie auch durch die Tür der Geschichte gehen.

Das Gespräch führte Jonathan Fisch.

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