Nach UNO-Schätzungen gibt es weltweit gut 280 Millionen Migrantinnen und Migranten – dreimal mehr als noch vor fünfzig Jahren. Die allerwenigsten sind politisch Verfolgte. Auch die Kriegsflüchtlinge machen nicht den Hauptanteil aus. Die meisten wandern aus, weil sie zu Hause wirtschaftlich keine Perspektiven haben.
Das Bedürfnis nach Stabilität und Wohlstand zu suchen, sei zutiefst menschlich, sagt die neue Chefin der Internationalen Organisation für Migration IOM, die Amerikanerin Amy Pope. Perspektiven sehen viele nicht in ihrer Heimat, sondern in westlichen Ländern, wo vielerorts Arbeitskräftemangel herrscht.
UNO: Das Potenzial nutzen
Aus Sicht der Vereinten Nationen ist daher Migration weniger ein Problem, vielmehr eine Chance – ja sogar eine Notwendigkeit. Wenn Menschen nicht leben dürften, wo sie leben möchten, nütze die Welt ihr Potenzial nicht, so Pope.
Es gebe in einem Teil der Länder zu viele junge Menschen und zu wenig wirtschaftliche Optionen; in einem anderen Teil jedoch weit weniger junge Leute als berufliche Möglichkeiten.
Deshalb lanciert die IOM nun erstmals einen umfangreichen Spendenaufruf von 7.9 Milliarden Dollar allein für 2024. Die bisherigen freiwilligen Zahlungen der 175 Mitgliedsländer reichen offenkundig nicht mehr aus, um die Tätigkeit der Migrationsorganisation zu finanzieren. Sie gehört mit 18'000 Angestellten zu den grössten der UNO.
In Migration investieren
Es sei sinnvoller und billiger, in eine geordnete Migration zu investieren, als zig Milliarden auszugeben für den Grenzschutz zur Abschottung gegenüber Migranten oder für dysfunktionale Asylsysteme, betont die IOM-Chefin.
Das Problem sei nicht die Migration an sich, jedoch dass sie schlecht gemanagt werde. Die UNO-Organisation will daher die irreguläre Migration eindämmen und die reguläre Migration erleichtern.
Das Problem dabei: Noch mehr Zuwanderung stösst auf enormen Widerstand. Fremdenfeindlichkeit sei, so räumt die IOM-Chefin ein, eine ihrer grössten Herausforderungen. Pope setzt nun neben Regierungen auf die Privatwirtschaft und reiche Einzelpersonen zur Finanzierung ihres Spendenappells.
Die Migration wird weiter zunehmen, das Thema verschwindet nicht.
Firmen sollen aber nicht nur zahlen, sie sollen sich auch engagieren, damit die Bevölkerung in Zuwanderungsländern die Migration positiver sieht, so die Hoffnung. Bis dahin ist der Weg weit.
Manche halten das Ansinnen gar für naiv. Doch die UNO-Spitzenfunktionärin dürfte recht behalten, wenn sie feststellt: «Die Migration wird weiter zunehmen, das Thema verschwindet nicht.»
Und das heisst zugleich: Selbst wenn nun in immer mehr Staaten Rechtspopulisten an die Macht gelangen – sie werden die Migrationsströme nicht aufhalten, ja nicht einmal bremsen können.