Der Prozess gegen Kardinal Giovanni Angelo Becciu vor dem Vatikangericht hat begonnen. Ihm und neun Mitangeklagten aus Kirchen- und Laienämtern und aus der Finanzbranche – unter ihnen ein Schweizer – wird Amtsmissbrauch, Geldwäscherei, Betrug, Unterschlagung und Korruption vorgeworfen.
Konkret geht es um einen verlustreichen Immobiliendeal in London. Dabei sollen mehrere 100 Millionen Euro geflossen sein – für die Beschaffung, aber auch für Provisionen und Boni. Die Justiz will herausfinden, welche Rolle die Beschuldigten in dem Fall gespielt haben.
Der Strafprozess zählt zu den bislang grössten im Vatikan. Becciu war die Nummer zwei im Staatssekretariat des Vatikans. Dieses soll in die Sache verwickelt gewesen sein. Das Staatssekretariat tritt als Nebenkläger in dem Prozess auf. Becciu bestreitet die Vorwürfe gegen ihn. Und er sagt dazu: «Ich bin das Opfer von ausgeheckten Machenschaften.»
«Desaster für die Kasse des Vatikans»
«Immobiliengeschäfte des Vatikans sind an sich nichts Neues und nichts Ungewöhnliches», sagt Dominik Straub, Journalist in Rom. Der Vatikan besitze ein riesiges Immobilienvermögen. «Allein in Rom sind es über 4000 Häuser und Palazzi, und auch im Ausland sind es 1200 Immobilien.»
Doch das Problem im Londoner Fall war: «Das war eine sündhaft teure, riesige Luxusimmobilie im Nobelstadtteil Chelsea, die den Vatikan hunderte von Millionen gekostet hat.» Sehr viel Geld sei in den Sand gesetzt worden. Wie viel, ist unklar. «Schätzungen reichen von 70 bis 160 Millionen Euro. Für die Kasse des Vatikans war es ein totales Desaster.»
Papst handelte nach erstem Verdacht
Im Sommer 2019 war das «Istituto per le Opere di Religione» (IOR), auch bekannt als Vatikanbank, angesichts gewisser finanzieller Aktivitäten misstrauisch geworden. Die Behörden begannen zu ermitteln. Der Papst enthob Becciu nach einem Verdacht auf finanzielle Unregelmässigkeiten im Herbst 2020 seiner Ämter und strukturierte die Finanzströme um.
Die Bewirtschaftung von Kapital- und Immobilienwerten des Vatikanstaates übertrug Franziskus an die Güterverwaltung des Vatikans und entzog dem Staatssekretariat damit wichtige Zuständigkeiten. Dieser Schritt gilt als bisher wichtigste Reform in Franziskus' Amtszeit.