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Impeachment-Prozess USA Kompetent, engagiert, aber wer hört zu?

Zwei Tage lang hat die Anklage im Amtsenthebungsprozess gegen Donald Trump ihre Argumente vorgelegt – und es war sehenswert. Die Videoclips der rasenden Trump-Anhänger, die Notrufe panischer Polizisten, der demagogische Auftritt von Präsident Trump am 6. Januar, das alles machte die 13-stündige Anklage spannend wie einen Krimi.

Trumps Tweets während des Sturms auf das Kapitol liessen keinen Zweifel daran, für wen sein Herz schlägt. «We love you, we love you» erklärte er seinen Fans, die in die Hauptstadt gekommen waren, um seine Abwahl zu verhindern. Derweil mussten sein Vizepräsident und die Abgeordneten um ihr Leben fürchten.

Es brodelte schon vor der Erstürmung des Kapitols

Allesamt Demokraten aus dem Repräsentantenhaus rekonstruierten minutiös, wie es zum Eklat kam. Sie zeigten, wie sich die Mär des Wahlbetrugs lange vor der Präsidentschaftswahl breit machte, wie die Gewaltbereitschaft zunahm, als Trump-Anhänger versuchten, einen Bus der Biden-Kampagne von der Strasse zu drängen oder das Parlamentsgebäude im Staat Michigan stürmten. Das alles, so die Demokraten, hatte Methode und folgte einem Drehbuch, das ein Mann entwickelt hatte: Donald Trump. Seine Rede am 6. Januar sei nur noch das Zündholz gewesen, welches das Ölfass zum Brennen brachte.

«Das ist nicht ein Gerichtsprozess, sondern ein Moment der Wahrheit», sagte der führende Demokrat des Anklageteams, Jamie Raskin, ganz am Anfang der Verhandlung im Senat. Doch diese Wahrheit der Demokraten will die Mehrheit der Republikaner im Senat und im Land nicht hören und sehen. Fast 90 Prozent der republikanischen Wählerinnen und Wählern halten das Amtsenthebungsverfahren für verfehlt, und 44 der 50 republikanischen Senatoren und Senatorinnen haben bereits in einer Abstimmung klar gemacht, dass sie das Verfahren für nicht verfassungsgemäss halten.

«Ich habe nicht Angst davor, dass Donald Trump in vier Jahren wieder kandidiert und gewinnt», sagte ein Vertreter der Anklage. «Ich habe Angst davor, dass er wieder kandidiert und verliert. Er kann es wieder tun». Diesen Satz sollen sich viele Republikaner im Senat notiert haben, laut einer PBS-Journalistin, die auf einem der bloss drei Medienplätze im Saal sitzen darf. Doch ein Freispruch ist fast sicher. Solange die republikanische Basis zu Trump hält, werden ihre gewählten Volksvertreter ihn nicht fallen lassen. Da können die Demokraten noch so eindringlich argumentieren und mahnen.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

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Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

Echo der Zeit, 11.02.2021, 18 Uhr

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