Indien ist ein gigantischer Wachstumsmarkt, auch in Sachen Internet. Vor zehn Jahren waren gerade einmal vier Prozent der indischen Bevölkerung mit dem Internet verbunden, letztes Jahr war es nach Hochrechnungen praktisch jeder zweite Inder. Dieses Wachstum fand aber vor allem in den Städten statt. Auf dem Land sieht das Bild noch anders aus. Dort ist nach wie vor der Grossteil der Bevölkerung vom Internet abgeschnitten. Google will das nun ändern und zieht mit den sogenannten Internet-Saathis durchs Land.
«Das Internet ist wie ein Zauberstab»
Auch Jighisha ist auf Mission. Sie bringt das Internet. In ihrem knallgelben Sari läuft die 31-Jährige Kilometer um Kilometer von einem Dorf zum nächsten. Der traditionelle Schmuck an ihrem Fussgelenk klimpert bei jedem Schritt. In der Hand hält Jighisha ein Tablet und ein Smartphone. Sie ist eine von gut 30'000 Landfrauen in Indien die von Google und der indischen NGO Tata Trust als Internet- Missionarinnen ausgebildet wurden. Der Auftrag Internet Saathis: Das World Wide Web aufs Land bringen.
Jighisha macht halt bei einer Bäuerin und bekommt erst einmal eine Tasse Tee serviert. Sie stellt sich und die beiden Geräte vor, die sie bei sich hat. Und erklärt zuerst, wie man diese ein- und wieder ausschaltet.
Jighisha ist Überzeugungstäterin. Das Internet sei wie ein Zauberstab, erklärt sie: Was immer sie brauche, das Internet habe es. Sie lernte neue Nähmuster und nutze nun genauere Wettervorhersagen. Das nütze ihr für die Ernte. Durch das Internet könne sie von zuhause aus ihre Familie besser unterstützen. Für Jighisha bedeutet das Internet auch ein gutes Stück Emanzipation: «Denn die Männer kennen das Internet bereits. Sie haben ein Smartphone. Doch wir Frauen sitzen zuhause und wissen nicht was um uns herum passiert.»
Tata Trust meldet eindrückliche Zahlen
Das Internet vor allem den Frauen auf dem Land näher bringen, das ist das erklärte Ziel von Tata Trust, sagt der Projektverantwortliche von Tata Trust, Raman Kalyanakrishnan: Noch vor drei sei nur eine von zehn Internet-Nutzern auf dem Land eine Frau gewesen. Heute seien es immerhin drei von zehn. Die Internet Saathis hätten in den letzten drei Jahren über 110'000 Dörfer erreicht und über zwölf Millionen Frauen das Internet erklärt.
An alles gedacht
Wenn ein Mann von ihr lernen wolle, würde sie auch ihm das Internet erklären, sagt Jighisha und lacht. Die Bäuerin, die Jighisha besucht, ist dennoch skeptisch: «Ich kann weder lesen noch schreiben, was nützt mir da ein solches Gerät», fragt sie. Das Internet verderbe sowieso nur ihre Kinder. Doch die gewiefte Internet-Saathi hat auf alles eine Antwort: «Schau, so kannst du bestimmte Seiten blockieren und deine Kinder schützen. Du musst nicht einmal tippen. Deine Fragen kannst Du einfach ins Telefon sprechen und es wird dir antworten. Das Voice-Search Programm von Google erkennt fünf regionale indische Sprachen, darunter Gujarati.
Auch Apple und Facebook mischen mit
Die grosse indische Landbevölkerung ist für Google ein guter Wachstumsmarkt: Neha Barjatya die Projektverantwortliche von Google erklärt die Relationen: Von 700 Millionen Menschen auf dem Land in Indien sind immer noch über 500 Millionen Menschen nicht online. Einer halben Milliarde Menschen Zugang zum Internet verschaffen bedeutet auch, Daten von 500 Millionen Menschen zu sammeln, Werbung an sie schicken zu können. So will Barjatya das Projekt aber nicht verstanden wissen. Zudem habe Google keine Garantie, dass diese künftigen User tatsächlich auch Google-Produkte nutzen würden, das Angebot sei schliesslich nicht beschränkt.
Dennoch befindet sich Google in einem Verdrängungskampf mit den anderen grossen Internetanbietern wie Apple oder Facebook, die ebenfalls um diese riesigen Ressourcen von Daten buhlen. Facebook scheiterte 2016 am obersten indischen Gericht mit seinem Free-Basics Programm, das Gratisinternet für eine bestimmte Anzahl Applikationen zulässt. Apple hat in Indien einen Marktanteil von nur fünf Prozent. Im Moment hat Google die Nase vorn, dabei hilft dem Multi auch das Internet-Saathi-Programm.
Dennoch freuts Jighisha. Das Programm bedeutet für sie mehr Unabhängigkeit und einen zusätzlichen Verdienst. Das Internet hat ihr Leben verändert, wobei auch sie nicht alles toll findet im Netz. Ein Facebook-Konto zum Beispiel habe sie nicht. Das gefalle ihr nicht. Sie nutze lieber WhatsApp, sagt sie und macht sich auf zum nächsten Dorf.