In Indonesien treibt die landesweiten Proteste vor allem die junge Generation an. Für viele Studierende und junge Berufstätige geht es nicht nur um aktuelle Missstände, sondern um ihre Zukunft.
Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Vedi Hadiz von der University of Melbourne sind die Ursachen tief verwurzelt. Die Kluft zwischen der breiten Bevölkerung und einer kleinen wirtschaftlichen Elite habe sich in den vergangenen Jahren weiter vergrössert, besonders in den Städten.
Elite bereichert sich
Viele würden sich durch die Versprechen wirtschaftlicher Entwicklung betrogen fühlen, so Hadiz. Gleichzeitig werde der Reichtum einer kleinen Minderheit offen zur Schau gestellt, was den Frust verstärke.
Wahlen und Parlament würden in erster Linie den Interessen einer kleinen Elite dienen, sagt der Politikwissenschaftler. Die aktuellen Unruhen träfen ausgerechnet Präsident Prabowo Subianto, der sich als starker Mann inszeniere. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass Prabowo auf die Proteste mit einer weiteren Militarisierung von Politik und Gesellschaft reagiere.
Schweigen keine Option
Eine treibende Kraft hinter den Demonstrationen sind die Studierenden, wie etwa Fawwaz Farhan. Für den 21-jährigen Jurastudent der Universität Indonesia war der Wendepunkt der Tod eines Motorrad-Taxifahrers, der von einem gepanzerten Polizeifahrzeug überfahren wurde. «Schweigen war für mich keine Option mehr, ich wusste: Wir müssen handeln.»
Die Studierenden fordern umfassende Reformen: darunter ein transparentes Parlament, wirksame Massnahmen gegen Korruption, die Stärkung von Menschenrechtsinstitutionen und den Rückzug des Militärs aus zivilen Aufgaben.
«Wir erwarten konkrete Taten»
Auch Muhammad Rizal Ramadhan, ein Content-Creator und Sportlehrer, leistet bei den Protesten Erste Hilfe. Das Vertrauen in Präsident Prabowo sei erschüttert, sagt er. Die Bevölkerung habe sich zu lange von «schönen Worten» täuschen lassen und erwarte nun konkrete Taten, um die soziale Ungleichheit zu verringern.
Sogar wenn die Regierung bei einzelnen Forderungen nachgeben könnte, sei nicht zu erwarten, dass die Bewegung verstumme, sagt Rizal Ramadhan. Vielmehr könnte der Druck auf Prabowo weiterwachsen – und die Gefahr, dass er seine Macht mit autoritären Mitteln absichert.
Fawwaz betont, dass die Proteste auch Ausdruck der Sorge um die Zukunft seiner Generation seien. Selbst wer hart studiere, bleibe chancenlos, solange die Eliten den Zugang zu wirtschaftlichen Möglichkeiten kontrollieren würden. Er selbst will später als Menschenrechtsanwalt marginalisierte Gruppen helfen.
Auf die Strasse gehen, will er vorerst aber nicht mehr. Es sei zu gefährlich, sagt Fawwaz. Bislang sind zehn Menschen gestorben. Laut der indonesischen Menschenrechtsorganisation KontraS werden 20 Menschen vermisst.