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International 8 Punkte, die den Erfolg von Sanktionen gefährden

Die EU verhängt Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Darunter fallen der Bankensektor, die Rüstungsindustrie und die Ölproduktion. Oft zeigen Sanktionen Wirkung, ihr Erfolg lässt sich hingegen kaum messen. Wenn sie wirken, dann oft nicht so, wie sie gedacht waren.

Putin und Xinping geben sich die Hand.
Legende: Ein klares Zeichen in Richtung Westen: Mit China an seiner Seite braucht Putin Europa und die USA nicht. Keystone

1. Sanktionen lassen sich umgehen

Mit Sanktionen soll eine Verhaltensänderung von Regierungen, Gruppen oder Individuen erreicht werden. Dafür werden die «Kosten» für ihre Verhaltensweise in die Höhe getrieben. Doch je grösser ein Land ist und je mehr Nachbarn es hat, desto schwieriger ist es, gerade Handelssanktionen durchzusetzen. Solche Embargos können nicht verhindern, dass Staaten bestimmte Produkte importieren oder ausführen.

Daraus folgt: Die Importware wird höchstens verteuert oder der Gewinn darauf geschmälert. Gleichzeitig schwindet damit aber die beabsichtigte Signalwirkung von Strafmassnahmen. Die Warnung an andere Staaten, dem Beispiel des sanktionierten Landes nicht zu folgen, verliert an Wirkung.

2. Keine einheitliche Drohkulisse

Sanktionen sind vielfach einfache Strafaktionen und nicht eingebettet in eine umfassende diplomatische Strategie. Die Forderungen nach einer Verhaltensänderung sind dabei oftmals nicht klar genug formuliert. Das macht es für die Sanktionsträger schwierig, zu reagieren.

Ausserdem: Unklar bleibt vielfach, welche Handlungsweise eine Aufhebung der Sanktionen nach sich zieht. Nicht zuletzt ist ein Boykott wenig wirksam, wenn sich nicht alle daran halten. Im Falle von Russland scheint China für die verlorenen Wirtschaftspartner USA und Europa einzuspringen.

3. Wagenburg-Mentalität

Umfassende Wirtschaftssanktionen treffen vor allem die ärmsten Bevölkerungsschichten. In autoritäten Staaten ohne freie Medien machen die Regierungen die Sanktionen für alle wirtschaftlichen Probleme des Landes verantwortlich. Damit schaffen sie es, dass die Bevölkerung hinter den Machthabern steht.

Dieser Effekt wird in der Forschung die Wagenburg-Mentalität genannt. Als Beispiel kann hier Nordkorea angefügt werden. Das Regime leidet stark unter den Wirtschaftssanktionen des Westens. Regelmässig wird von Hungersnöten berichtet. Dennoch: Die staatlich verordnete Propaganda lässt nicht einen Hauch von Zweifel an der Regierung aufkommen.

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4. Forderung nach Machtwechsel kontraproduktiv

Werden die Sanktionen verhängt, um weitreichende politischen Änderungen in einem Staat zu erreichen, verfehlen sie zumeist dieses Ziel. Der Anreiz für die Machthaber bleibt gering. Damit die Strafmassnahmen aufgehoben werden, müssten sie gleichzeitig auf ihre Macht verzichten.

Eine Frau mit ihrem Kind in einem Spital in Irak.
Legende: Die medizinische Versorgung wurde durch die umfassenden Sanktionen lebensbedrohlich eingeschränkt. Keystone

5. Unbeabsichtigte Nebenwirkungen

Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen ein Land können ganz andere Wirkungen entfalten. Sie können die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betroffenen Länder um Jahre zurückwerfen – oft mit dramatischen Folgen für die Bevölkerung.

Ein unschönes Beispiel dafür sind die UNO-Sanktionen gegen den Irak in den Jahren 1990 bis 2003. Laut Unicef stieg die Kindersterblichkeit zwischen 1990 und 2000 um 160 Prozent – zehnmal so stark wie während des Bürgerkriegs in Ruanda. Zusätzlich schaffen die Sanktionen auch Gewinner. Das sind in der Regel Regime nahe Kreise oder kriminelle Netzwerke, die den Warenschmuggel unter Kontrolle haben oder an Stelle ausländischer Anbieter und Investoren einspringen.

6. Smart oder doch nicht?

Aus der Irak-Katastrophe hat die internationale Gemeinschaft mittlerweile eine Lehre gezogen: umfassende Wirtschaftssanktionen werden möglichst vermieden. Sie werden durch gezielte Sanktionen gegen Personen oder Produkte ersetzt. Darunter fallen etwa Reisebeschränkungen oder das Einfrieren von Konten für einen bestimmten Personenzirkel.

Studien zu diesen sogenannten «smarten Sanktionen» zeigen, dass sie tatsächlich viel weniger unerwünschte Nebenwirkungen haben als umfangreiche Wirtschaftsboykotte. Dafür sind sie aber ineffektiver, denn sie erzielen für sich genommen keine Politikänderung. Am ehesten eigenen sie sich als robustere Form der symbolischen Verurteilung eines Verhaltens im Sinne eines Signals an andere.

7. Sanktionen treffen nicht nur beabsichtigtes Ziel

Strafmassnahmen verursachen nicht nur bei den betroffenen Staaten Kosten, sondern auch bei denen, die sie verhängen. Mit der Globalisierung der Wirtschaft wirken sich Embargos oder Import/Exporthemmnisse reziprok aus. Dabei wird das mit Sanktionen belegte Land bereit sein, höhere Kosten zu tragen als die andere Seite. Das wiederum gefährdet den Erfolg der ergriffenen Massnahmen.

8. Langfristige Sanktionen

Mit Sanktionen lassen sich nur bescheidene Ziele erreichen. Nur wenn die politischen und ökonomischen Kosten für das Land überschaubar bleiben, kann ein Embargo erfolgreich sein. Langwierige Blockaden sind meist wirkungslos, weil sie irgendwann umgangen werden. Die erhöhte Sanktionsfrequenz der USA könnte dazu führen, dass sich das Instrument abnutzt.

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