SRF: Wie konnte der Republikaner Eric Cantor so deutlich gegen den Nobody David Brat von der Tea Party unterliegen?
Beat Soltermann, USA-Korrespondent: Politologen und Politiker bezeichnen die Niederlange Cantors als Schock, Erdbeben und Überraschung. Für seine Niederlage wird angeführt, dass er sich seines Sieges zu sicher war, dass er sich politisch zu weit von der Basis entfernt hatte. Cantor ist beispielsweise für eine Einwanderungsreform. Diese Haltung hat ihm auch geschadet.
In jüngster Zeit wurde vom Niedergang der extremen Tea Party berichtet. Ist das nun ein Gegentrend?
Das Wahlergebnis muss man differenziert anschauen. Es gab diese Formschwäche der Tea Party. Es zeigt aber auch, dass die Bewegung noch nicht tot ist, wie einige Experten bereits gemutmasst hatten. Man muss aber auch sagen: Dies ist ein Sonderfall. Cantor war politisch nicht angeschlagen. Er war bis zum Wahltag unbestritten.
Sie haben gesagt, die moderate Haltung Cantors in Sachen Migrationspolitik sei ein Grund für seine Niederlage gewesen. Heisst das, dass eine Immigrationsreform in nächster Zeit in Amerika tot ist?
Das kann man so sagen. Es wird praktisch unmöglich sein, diese Vorlage voranzutreiben. Sie ist durch den Senat abgesegnet, steckt aber noch im Repräsentantenhaus fest. Alle Republikaner, die noch einen Vorwahlkampf zu bestreiten haben, werden sich hüten, sich für eine Reform auszusprechen. Für die anderen ist die Causa Cantor ein Warnschuss. Ein wichtiger Teil der Parteibasis goutiert offenbar eine vereinfachte Einbürgerung der rund elf Millionen Illegalen im Land nicht.
Was heisst das für die Zukunft der Republikaner? In Amerika haben ja Farbige und Latinos längerfristig die entscheidende Mehrheit.
Die Republikaner werden sich überlegen müssen, ob sie für diese Wählerschichten nicht unattraktiv werden. Bei den letzten Jahren vor bald zwei Jahren hat eine grosse Mehrheit der Latinos für Obama und die Demokraten gestimmt. Ohne Einwanderungsreform dürfte dieser Trend kaum zu brechen sein.
Aber sogar George W. Bush war latinofreundlicher und immigrationsfreundlicher als die Republikaner jetzt.
Ja, das stimmt. Aber seither hat sich die politische Landschaft in den USA verändert. Viele Weisse – vor allem weisse Männer – fühlen sich bedroht von der neuen Bevölkerungsstruktur, auch von der Politik und der Person Obamas. Deshalb wählen diese Leute Politiker, die ein Amerika des 19. und 20. Jahrhunderts konservieren wollen.
Wenn die Republikaner immer mehr zur extremen Tea-Party neigen und immer weniger verhandlungsbereit sind: Werden sie dann längerfristig nur noch eine Protestpartei?
Da muss man erst mal abwarten, wie stark die Tea-Party-Fraktion innerhalb der republikanischen Partei sein wird nach den Wahlen. Die Nummer zwei, das weiss man jetzt, wird nicht mehr dabei sein.
Dann wäre ja vielleicht auch die Nummer Eins der Republikaner, John Boehner, bedroht? Er gilt ja als moderater als Cantor.
Er hat aber seine Vorwahl bereits gewonnen. Er ist der republikanische Kandidat in seinem Wahlbezirk Ohio. Er tritt dort gegen einen demokratischen Herausforderer an. So wie es aussieht, hat er gute Chancen, wiedergewählt zu werden.