Es kommt selten vor, dass eine Partei nach einem Verlust so jubelt als hätte sie die absolute Mehrheit geholt.
Bei den Anhängern der Wiener Sozialdemokratie wie auch bei Bürgermeister Michael Häupl war gestern Abend die Eleichterung spürbar. Obwohl die Partei unter 40 Prozent rutscht, bleibt sie stärkste Kraft und könnte mit den Grünen weiterregieren.
Grüne reagieren irritiert
Doch Bürgermeister Häupl zögerte gestern, sich hier festzulegen: «Das ist ein Wahlergebnis, mit dem man gut arbeiten kann. Wir werden mal schauen. Wir werden es morgen wissen.» Er werde mit allen Parteien reden. Er werde auch mit den Freiheitlichen reden, meint er. Und fügt schelmisch hinzu: Aber nicht über eine Koalition.
Die Grünen reagierten irritiert. Parteichefin Eva Glawischnig erklärte, man sei bereit weiterzumachen. Rot-Grün sei schliesslich die einzig verbliebene Variante: «Eine Fortsetzung von Rot-Grün in Wien geht sich jedenfalls aus. Ist auch unser erklärtes Ziel. Ich bin mir sicher, dass sehr viele Grün-Wählerinnen auch an diesem Tag heute ihre Stimme der SPÖ geliehen haben. Und es ist auch eine Verantwortung der SPÖ sich zu überlegen, was sie mit diesen Stimmen macht.»
SPÖ verliert in Hochburgen
Bürgermeister Häupl liess sich durch keine Zurufe irritieren. Die Koalitionsfrage mache ihm keine Sorge, aber dass die SPÖ erneut bei Arbeitern und Angestellten verloren habe, diese Gründe müsse man zuerst analysieren. «Sorgen haben wir uns um andere Dinge zu machen. Wie zum Beispiel um die Wirtschaftskrise und die daraus resultierenden Ergebnisse am Arbeitsmarkt.»
Tatsächlich verlor die SPÖ in den grossen Wiener Arbeiterbezirken stark an die Freiheitlichen. Und je später der Abend, liessen einige Genossen durchblicken, dass eine Politikänderung auf Bundesebene ratsam scheine, ja vielleicht gar eine neue Parteispitze.
FPÖ will stärkste Kraft werden
Der Angriff der Freiheitlichen auf die Hochburg Wien wurde zwar abgewehrt, aber die Sozialdemokraten wissen, Heinz-Christian Strache wird einen neuen Anlauf nehmen. Das Wahlresultat gebe ihm dafür genug Grund, meinte er selbst gegenüber dem ORF: «Ich schliesse daraus, dass wir vom Burgenland bis in die Steiermark bis nach Oberösterreich und Wien überall das historisch beste Ergebnis in der Geschichte als freiheitliche Partei bei Landtagswahlen erzielen konnten. Und ich bin unserem grossen Ziel wieder einen Schritt näher gekommen. Denn natürlich wollen wir stärkste Kraft werden.»
Da muss Strache noch drei Jahre warten, dann sind gesamtösterreichische Parlamentswahlen. Aber solange wollte er gestern nicht warten und verlangte keck vorgezogene Neuwahlen.