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International Angst vor Anschlägen: «Man kann sich zu Tode schützen»

Die Anschläge in Paris und ihre mediale Dauerpräsenz können in Menschen Ängste auslösen. Das ist normal. Die Angst wird dann zur Gefahr, wenn sie sich plötzlich über alle Lebensbereiche ausbreitet, sagt Verena Kast, emeritierte Psychologieprofessorin.

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Wenn Angst vor Terror krankhaft wird.
aus SRF 4 News aktuell vom 19.11.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 43 Sekunden.

SRF News: Was macht die mediale Dauerpräsenz der Anschläge von Paris mit unserer Psyche?

Verena Kast: Grundsätzlich haben wir das Gefühl für eine neue Bedrohung bekommen. Diese wird uns noch einmal medial serviert. Bei den einen entsteht Widerstand dagegen. Sie sagen, so viel brauche ich jetzt auch wieder nicht. Bei den anderen wird die Angst verstärkt. Aber es ist nicht so, dass nur die Anschläge gezeigt werden, sondern es wird ja ebenfalls präsentiert, wie die Menschen zusammenstehen und wie sie Blumen hinlegen. Das ist auch eine Form der Verarbeitung, die gezeigt wird.

Sind wir seit letztem Freitag ängstlicher geworden?

Ich weiss es nicht. Viele von uns sind sich mehr bewusst, in was für einer bedrohlichen Welt wir leben. Ob diese Bedrohung Angst auslöst, ist nicht bei allen gleich. Wenn wir uns in so einer Situation sehr hilflos fühlen, wenn wir überhaupt selber ängstliche Menschen sind, dann sind wir sicher ängstlicher geworden.

Verena Kast

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Verena Kast hat Psycholgie, Philosophie und Literatur studiert. Sie war Professorin für Psychologie und hatte eine Praxis als Psychotherapeutin. Seit 2014 ist sie Präsidentin des C.G. Jung-Instituts in Küsnacht. Sie hat einige vielbeachtete Bücher über Psychologie geschrieben.

Angst gehört zum Menschen und kann lebensrettend sein. Wann wird Ihrer Meinung nach Angst zur Gefahr für die menschliche Psyche?

Angst wird dann zu einer Gefahr, wenn wir nicht mehr vor einer bestimmten Situation Angst haben, sondern wenn sich die Angst über das ganze Leben generalisiert. Man hat dann plötzlich vor allem Angst, vor allen Menschen, und vor allem hat man keine Möglichkeit, sich noch auf die eigenen Stärken, die eigenen Ressourcen zu beziehen. Dann haben wir eine Angstkrankheit.

Tritt diese Angsterkrankung jetzt häufiger auf?

Nein. Die meisten Menschen werden diese Angst als Herausforderung sehen. Sie fragen sich: Was habe ich dagegen einzusetzen, wo sind meine Ressourcen? Es wird auch Mut zur Angst entstehen.

Durch die Bedrohung sind viele Menschen bereit, zu Gunsten der Sicherheit auf Freiheit zu verzichten. Ist das eine übereilte Reaktion?

Es ist wichtig, dass man die Bedrohungslage sieht und sich nicht mutwillig in gefährliche Situationen stürzt. Aber wenn wir jeder Angst nachgehen, sind wir am Schluss im Bett und haben Angst. Man kann sich zu Tode schützen, um keine Angst zu haben. Ich denke, es ist wichtig, politisch gesehen, dass wir klarmachen, was unserer Regeln sind und wie wir leben wollen und dass wir das nicht einfach aufgeben. Hier braucht es Mut zur Angst.

Was kann der der einzelne gegen seine Verunsicherung tun?

Wir müssen zusammenstehen, wir brauchen mehr Bindung, wir müsse mehr miteinander sprechen, über die Ängste, die wir haben, aber auch über unsere Mut-Aspekte. Miteinander hat man weniger Angst als allein. Wir müssen darüber sprechen, was wir uns auf gar keinen Fall wegnehmen lassen wollen.

Das Gespräch führte Sandra Leis.

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