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Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner enthüllt eine übergrosse neue 100 Pesos-Note.
Legende: Der Peso wird weiter massiv an Wert verlieren, davon geht Foders aus. Reuters/Archiv

International «Argentinien muss die Notenpresse anwerfen»

Bis Mitternacht hatte Argentinien Zeit, sich mit drei amerikanischen Hedge Fonds auf Zahlungen zu einigen. Die Frist ist ergebnislos verstrichen. Federico Foders, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft in Kiel und spezialisiert auf Lateinamerika, rechnet mit einer Verschärfung der Wirtschaftskrise.

SRF: Federico Foders, ist Argentinien technisch gesehen zahlungsunfähig oder nicht?

Federico Foders: Das Wort «technisch» gehört nicht zum Fachjargon der Kapitalmärkte. Entweder man ist es oder man ist es nicht – zahlungsfähig. Das ist wie schwanger sein. Es kommt aber nicht zu einer Staatspleite, sondern es kommt zu einem Zahlungsausfall. Das Land Argentinien ist nach wie vor solvent.

Federico Foders

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Porträt von Federico Foders

Der in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires geborene Ökonom forscht am Institut für Weltwirtschaft in Kiel und lehrt an der Universität in Köln. Zu seinen Schwerpunkten gehört die Wirtschaftspolitik und wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas.

Bis Mitternacht hatte Argentiniens Finanzminister Zeit, sich mit diesen Hedge Fonds zu einigen. Das ist nicht gelungen. Welche Folgen hat das?

Die wichtigste Folge ist, dass die bereits sehr ramponierte Kreditwürdigkeit des Landes weiter sinken wird, und es für Argentinien sehr schwer sein wird, international neue Mittel zu bekommen. Und das gilt nicht nur für staatliche Stellen, sondern auch für Unternehmen.

Wie wird das die Bevölkerung zu spüren bekommen?

Das Land erfährt eine Inflationsrate von etwa 40 Prozent. Das heisst, in erster Linie leidet die Bevölkerung unter dieser hohen Inflationsrate. Kein Arbeitsvertrag in ganz Argentinien und kein Rentner hat eine Klausel für die Anpassung an die Inflationsrate. Jeder muss davon ausgehen, dass er im Laufe eines Jahres etwa die Hälfte der Kaufkraft seines Einkommens verliert. Was macht man in einem Land wie Argentinien dagegen? Man versucht, sich Dollar zu kaufen. Doch das ist dem normalen Bürger auch verwehrt. Es herrscht eine strenge Devisenbewirtschaftung, so dass man auf dem Schwarzmarkt ausweichen muss. Da könnte es zu überhöhten Preisen für den Dollar kommen.

Entweder ist man zahlungsfähig oder nicht. Das ist wie schwanger sein.

Das würde bedeuten, dass die Inflationsspirale zusätzlich angekurbelt wird?

Diese wird vor allem dadurch angekurbelt, dass sich die argentinische Regierung im Ausland nicht verschulden und sie im Inland nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann. Wer will denn bei einer Inflationsrate von 40 Prozent schon sparen? Nur dann, wenn die Zinsen 50 Prozent betragen – aber das ist ja nicht der Fall. Das heisst, wenn man diese beiden Geldquellen nicht hat, muss man die Notenpresse anwerfen. Das wird die Inflation wahrscheinlich weiter in die Höhe treiben.

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Sie hatten damit gerechnet, dass es im letzten Moment doch noch zu einer Einigung kommt. Wieso ist das nun nicht gelungen?

Es sieht so aus, dass eine Gruppe privater Banken und Unternehmen einen Fonds gebildet hat, aber nur 1,4 Milliarden Dollar hat sammeln können. Die Hedge Fonds erwarten einen Betrag, der 200 Millionen Dollar höher ist, also 1,6 Milliarden.

Argentinien fürchtet nun, dass es Gläubiger, die damals nicht auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichtet haben, ebenfalls voll bedienen muss. Ist das eine berechtigte Sorge?

Ich halte sie nicht für berechtigt, sondern für völlig hypothetisch. Nur eine kleine Gruppe von Anleihen, die den Anlegern 2005 im Tausch gegeben wurden, beinhalten eine solche Klausel. Und bis heute hat keiner dieser Anleger diese Klausel aktiviert. Insofern sehe ich keine Gefahr. Was diese Anleger wollen, ist, dass sie endlich wieder ihre Zinszahlungen kriegen. Und wenn diese Zinszahlungen bis Ende des Jahres ausbleiben sollten, gehe ich davon aus, dass eine grosse Klagewelle kommt.

Wer will bei einer Inflationsrate von 40 Prozent schon sparen?

Nach dem Staatsbankrott von 2001 ist Argentinien in eine gewaltige Wirtschaftskrise gestürzt. Eine, die auch zu sozialen Unruhen in Argentinien geführt hat. Ist das etwas, womit Sie wieder rechnen?

Ich rechne damit, aber nicht als Folge des Zahlungsausfalls, sondern als Folge der wirtschaftlichen Lage. Wir haben eine hohe Inflation, Rezession und Arbeitslosigkeit. Und am Horizont zeichnet sich nichts ab, wovon man ableiten könnte, dass sich die Wirtschaft erholen würde.

Zudem verteilt die Regierung über den Haushalt massiv Energie- und Transportsubventionen. Das führt dazu, dass die Energieanlagen nicht erneuert werden, dass es im Transportsektor, zum Beispiel bei der Bahn, ganz viele Mängel gibt. Die Wartung findet nicht statt, die Materialerneuerung nur sehr zögerlich. Wenn man die Bilanz der letzten zehn Jahre ziehen wollte: Ich glaube, da bleibt nicht viel übrig. Obwohl sich das Land nach der grossen Krise 2001 erst einmal sehr gut erholt hatte – bis etwa 2006, 2007. Dann fing es an, wieder schlechter zu werden.

Das Gespräch mit Federico Foders führte Roman Fillinger.

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