Für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad sind die Rollen im Syrien-Konflikt klar verteilt: Die Regierung – und damit er selbst – verteidigen das Land «gegen Terroristen, die als Stellvertreter für andere Länder in Syrien einmarschiert sind», wie er im 20-minütigen Exklusiv-Interview mit der «Rundschau» erklärt.
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Der Westen unterstütze derweil Terroristen, um «einen gewissen Präsidenten loszuwerden und Marionetten einzubringen», die seinen «eigenen Absichten» entsprächen. Im Unterschied dazu würden die «Freunde Syriens», wie Russland, der Iran oder China, sicherstellen, «dass der Terrorismus hier nicht siegt».
Assad bestreitet Kriegsverbrechen
Assad bestreitet, dass seine Armee eine Strategie der verbrannten Erde verfolgt, beispielsweise mit den Bombenangriffen auf Spitäler in Aleppo: «Das ist eine falsche Behauptung.» Wenn man als Regierung die eigenen Zivilisten töten würde, wäre die die Mehrheit der Gesellschaft gegen einen. «Ich greife keine Menschen an, ich verteidige sie.»
Auf die Feststellung, dass aber kaum jemand anderes als die syrische Luftwaffe über bunkerbrechende Waffen verfüge, weicht Assad aus: «Die Mehrheit der Menschen» werde in der Schule, im Spital oder auf den Strassen von Terroristen mit Granaten beschossen. «Das hat nichts zu tun mit Luftangriffen.»
Auch den Einsatz von chemischen Waffen und Fassbomben gegen die eigene Bevölkerung weist Assad von sich: «Es gibt nicht den Hauch eines Beweises, dass die syrische Armee Chemiewaffen benutzt hat.» Einen Uno-Bericht dazu bezeichnet er als «unglaubwürdig». Er stütze sich auf Behauptungen und gefälschte Berichte.
Zudem dreht Assad den Spiess um: 2013 habe er eine Uno-Delegation eingeladen, weil «die Terroristen» chemische Waffen gegen die syrische Armee eingesetzt hätten. «Zu jener Zeit haben sich die USA gegen die Delegation gestellt.» Dies, weil die USA «die Terroristen» unterstützt habe – und genau gewusst habe, dass die Untersuchung der Delegation deren Einsatz von chemischen Waffen bestätigen würde.
Assad räumt ein, dass Fehler passieren können
Ebenso von einer Fälschung spricht Assad beim Foto des fünfjährigen Omran, dessen blutverströmtes, traumatisiertes Gesicht zu einem Symbol des Krieges geworden ist. Im Internet, so der Machthaber, würden mehrere Bilder des Kindes kursieren – bei verschiedenen Rettungsaktionen. Dies sei teil der Propaganda der sogenannten «White Helmets», die ihr Image aufpolieren wollten. «Wir haben echte Bilder von Kindern, die verletzt werden, aber dieses spezifische Bild ist gefälscht.»
Assad räumt zwar allgemein ein, dass in einem Krieg «Fehler» passieren können, weil es keinen «sauberen Krieg» gebe. Es bestehe aber ein Unterschied zwischen der Politik einer Regierung und einzelner Fehler: «Zu sagen, es sei die Politik der Regierung, dass wir Zivilisten, Spitäler und Schulen angreifen, dass wir alle diese Gräueltaten begehen, das ist nicht möglich.» Man könne einem Krieg nicht fünf Jahre lang standhalten, «während man seine eigenen Leute umbringt».
Zwischen Kampfbereitschaft und Dialog
Bei der Lösung des Konflikts, sieht Assad sowohl die Notwendigkeit von militärischen wie auch diplomatischen Ansätzen. Mit Al-Kaida, der Al-Nusra-Front oder dem IS sei «eine politische Lösung» unmöglich. «Die haben ihre eigenen Überzeugungen, sie haben eine abstossende Ideologie.» Deshalb müssten sie bekämpft werden. Mit politischen Parteien – ob für oder gegen ihn eingestellt – und «mit Kämpfern, die bereit sind, ihre Waffen zu Gunsten der Sicherheit und Stabilität Syriens abzugeben», sei ein Dialog aber möglich.
Zugleich gibt sich der Dikator auf militärischer Seite siegesgewiss: Man müsse daran glauben, dass man den Krieg gewinne, dass man das Land verteidigen könne, so Assad: «Wenn du das nicht glaubst, verlierst du.»
Baschar Al-Assad: Eine Kurzbiografie
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Bild 1 von 6. Baschar al-Assad wird 1965 als eines von fünf Kindern des späteren syrischen Machthabers Hafiz al-Assad geboren. Da sein Vater seinen älteren Bruder Basil als Nachfolger auserkoren hat, schlägt Assad zunächst eine Mediziner-Karriere ein, die er in London weiterführt. Dort lernt er auch seine künftige Frau Asma Fauaz al-Akhras kennen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 6. Als sein älterer Bruder 1994 bei einem Autounfall stirbt, wird Assad von seinem Vater nach Syrien zurückgeholt und nun zum Präsidenten aufgebaut. Er macht eine Blitzkarriere in der syrischen Armee, fungiert schliesslich als Kommandant der Präsidentengarde und ist diplomatisch tätig. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 6. Im Jahr 2000 stirbt sein Vater. Innert kürzester Zeit wird er von der machthabenden Baath-Partei zum Präsidentschaftskandidaten gewählt. Auch die Verfassung wird geändert, um ihn als Nachfolger seines Vaters einsetzen zu können. Am 10. Juli 2000 wird er durch ein Referndum schliesslich für sieben Jahre gewählt – mit mehr als 97 Prozent der Stimmen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 6. Zunächst wird Assad vom Westen als sanfter Reformer betrachtet. Auf ihm ruht die Hoffnung, dass eine politische und wirtschaftliche Öffnung des Landes vorangetrieben werden könnte. Anfängliche Reformen, zum Beispiel in Bezug auf die Redefreiheit – bekannt geworden unter dem Begriff «Damaszener Frühling» – werden aber bald wieder zurückgenommen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 6. 2007 wird Assad für weitere sieben Jahre als Präsident bestätigt – ohne Gegenkandidat. Schon zuvor führt er die Anti-Israel-Politik seines Vaters fort und wird wegen Menschenrechtsverletzungen vom Westen kritisiert. 2011 wird Syrien später als in anderen Ländern vom «Arabischen Frühling» erfasst. Das Regime reagiert mit äusserster Härte. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 6. Nach den Aufständen 2011 versinkt Syrien im Bürgerkrieg. Oppositionelle Kräfte, aber auch die Terrormiliz IS erstarken und erobern grosse Gebiete im Land. International gerät Assad zunehmend unter Druck. Einzig Russland sieht ihn noch als Teil einer Friedenslösung für Syrien. Mit russischer Hilfe gewinnt Assad 2016 aber militärisch wieder an Boden. Bildquelle: Keystone.