Australien auf derselben Stufe wie Afghanistan, Kongo und Jemen – andere Länder, die den Schutz ihrer natürlichen und kulturellen Güter nicht ernst nehmen? Wenn es nach den Vereinten Nationen geht, könnte es bald soweit sein.
Australien unternehme zu wenig, um eines der grössten Naturwunder der Welt vor dem Tod zu retten, sagt die Organisation der UNO für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco). Sie hat am Wochenende damit gedroht, das Great Barrier Reef vor der australischen Ostküste auf die Liste der bedrohten Welterbe-Stätten zu setzen. Das wäre ein drastischer Schritt, denn sie gilt als «Liste der Schande».
Das Barrier Reef bedeckt eine Fläche von 345‘000 Quadratkilometern und wird jedes Jahr von Millionen Touristen besucht. Doch der Klimawandel, höhere Wassertemperaturen, häufigere Tropenstürme und Abwässer aus der Landwirtschaft führten dazu, dass das Riff in den vergangenen 30 Jahren mehr als die Hälfte seiner Korallen verloren hat.
Zusätzlich bedroht durch Industrieboom
Die Unesco kritisiert, Australien habe beim Schutz des Riffs nur begrenzte Fortschritte gemacht. Das Land prüfe gegenwärtig 43 Projekte, die einen zusätzlichen negativen Einfluss auf die Umwelt haben könnten. An der australischen Küste sollen mehrere neue Verladehäfen für Kohle- und Erdgas gebaut werden oder sind bereits fertiggestellt. Über sie werden die im Landesinneren geförderten Rohstoffe in alle Welt verschifft. Da Queensland reiche Kohlefelder besitzt und derzeit eine Erdgasindustrie aufbaut, dürfte dieser Trend in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen.
Die rapide industrielle Entwicklung bedroht die ökologische Vielfalt am Riff in mehrfacher Weise. So wurden bei der Stadt Gladstone hunderte Millionen Tonnen mit Schwermetall verseuchter Meeresboden ausgebaggert. Berufsfischer beobachten seither eine Zunahme der Zahl kranker, verkrüppelter und toter Meerestiere. Ausserdem dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, sagen Kritiker, bis das Riff von einer Ölpest verschmutzt wird, wenn ein Kohlefrachter aufläuft oder kentert.
Die Regierung von Queensland sieht das alles aber nicht so eng: Wie immer wies sie auch die jüngste Kritik zurück. Man tue alles, was nötig sei, um auch in Zukunft eine wunderbare Ikone der Natur zu haben, hiess es aus Brisbane.