In Deutschland ist ein ehemaliges freiwilliges Mitglied der Waffen-SS wegen der Verbrechen im Vernichtungslager Auschwitz angeklagt. Dem 93-Jährigen wird Beihilfe zum Mord in mindestens 300‘000 Fällen vorgeworfen.
1944 habe das SS-Mitglied in Auschwitz zurückgelassenes Gepäck angekommener Häftlinge weggeschafft. Dem Mann sei bewusst gewesen, dass die überwiegend jüdischen Häftlinge, die als «nicht arbeitsfähig» eingestuft wurden, nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet wurden, so die Staatsanwaltschaft Hannover. Er habe durch seine Arbeit das systematische Morden unterstützt.
Arbeit an Bahnrampe in Auschwitz-Birkenau
Die nun zuständige Schwurgerichtskammer des Landgerichts Lüneburg muss nun über die Eröffnung des Verfahrens entscheiden. In Niedersachsen ist die Staatsanwaltschaft Hannover für die Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen zuständig. Bei dieser waren insgesamt vier Ermittlungsverfahren gegen SS-Angehörige aus dem Vernichtungslager Auschwitz anhängig. Wegen Todes oder dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit der Verdächtigen sind drei davon eingestellt worden.
In diesem aktuellen Fall liegen bereits 16 Anträge von Überlebenden und Angehörigen der Opfer der sogenannten «Ungarn-Aktion» vor. Weitere seine angekündigt, hiess es.
Der 93-Jährige soll zwischen Mai und Juli 1944 während der «Ungarn-Aktion» in Auschwitz an der Bahnrampe im Lagerabschnitt Birkenau gearbeitet haben. Wegen der Rechts- und Beweislage ist die Anklage auf diesen Zeitraum beschränkt. Zwischen dem 16. Mai und dem 11. Juli 1944 trafen in Auschwitz-Birkenau 137 Eisenbahntransporte mit rund 425‘000 Menschen aus Ungarn ein. Mindestens 300‘000 von ihnen sollen in den Gaskammern getötet worden sein.
Frühere Ermittlung mangels Beweisen eingestellt
Der 93-Jährige soll nicht nur das Gepäck weggeschafft und damit Spuren für nachfolgende Häftlinge verwischt haben. Er soll zudem auch dem Gepäck entnommenes Geld an die zuständige SS-Behörde in Berlin weitergeleitet haben, heisst es in der Anklage.
1985 war bereits gegen den Mann ermittelt worden. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte das Verfahren mangels Beweisen eingestellt. Das neue Verfahren beruht auf Vorermittlungen der Zentralstelle für nationalsozialistische Verbrechen in Ludwigsburg.
Im Februar hatten diese bundesweit zu zahlreichen Durchsuchungen von Wohnungen ehemaliger SS-Mitglieder geführt. Es mussten jedoch mehrere Ermittlungsverfahren eingestellt werden, weil die Beschuldigten nicht mehr verhandlungsfähig sind.