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International Besetzung der Westsahara: «Freiwillig wird Marokko nichts ändern»

Heute oder morgen Donnerstag wird der UNO-Sicherheitsrat entscheiden, ob in der Westsahara weiterhin Blauhelm-Truppen stationiert sein sollen. Der älteste Krisenherd Afrikas geht damit in eine weitere Runde – ohne Aussicht auf Frieden.

Schon seit vierzig Jahren besetzt Marokko die Republik Westsahara. Phosphat und vermutlich Öl schlummern im Boden des umkämpften Gebietes. Doch das ursprünglich dort ansässige Volk, die Sahraoui, gibt nicht klein bei. Während über 160‘000 von ihnen inzwischen in Flüchtlingslagern im Nachbarstaat Algerien leben, kämpft ein Teil von ihnen in der Unabhängigkeitsbewegung Polisario, welche die Unabhängigkeit der spanischen Ex-Kolonie fordert.

Kürzlich nun der Eklat: Der UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon besuchte das Flüchtlingslager der Sahraoui im März. Er war erschüttert über die Zustände im Lager und gebrauchte an der anschliessenden Pressekonferenz für Marokkos Kontrolle über den Grossteil der Westsahara den Begriff Besetzung.

Marokkanische Offizielle schrien ob Bans Formulierung auf. Das Königreich strich umgehend die finanzielle Unterstützung für die UNO-Blauhelmtruppe in der Westsahara, die Minurso. Das zivile UNO-Personal musste auf Verlangen Marokkos abgezogen werden, jener Teil der UNO also, der für die politische Lösung verantwortlich gewesen wäre. Was von der UNO-Mission bleibt, sind die militärischen Truppen – ohne politische Handhabe. Nun muss die UNO heute Mittwoch entscheiden, ob sie die Mission weiterführen will.

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

SRF News: Gäbe es Krieg, wenn der UNO-Sicherheitsrat die Blauhelm-Mission Minurso abbrechen würde?

Fredy Gsteiger: Es würde sicher schnell zu einer Destabilisierung mit Scharmützeln führen. Diese könnten gar in eine regelrechte militärische Konfrontation mit Toten münden. Nicht zu vergessen ist, dass die gesamte Region instabil ist, wenn wir etwa an das Nachbarland Mali denken, wo die Tuareg und die Al-Kaida Unruhe stiften. Bricht ein Konfliktherd auf, wird der nächste ebenfalls befeuert.

Das wird die UNO nicht riskieren wollen.

Ich denke, am Schluss wird sich die UNO dafür entscheiden, die Blauhelme in der Westsahara zu lassen. Die internationale Gemeinschaft wird versuchen, den Konflikt schlafend zu halten und sanften Druck auf Marokko zu auszuüben, um die politische Schiene wieder zu stärken. Das ist aber wohl erst wieder möglich, wenn Ban Ki Moon – den das marokkanische Regime im eigenen Land zur Hassfigur gestempelt hat – nicht mehr UNO-Generalsekretär ist.

Was lässt die UNO zaudern, sich weiterhin in der Westsahara zu engagieren?

Es ist sehr heikel für die UNO zu sagen, wir bleiben bloss noch als Stabilisierungstruppe dort und agieren nicht mehr politisch. Das widerspricht den UNO-Prinzipien, da diese Variante null Perspektiven für eine langfristige Lösung hat. Die UNO kann und will nicht auf ewig mit teuren Truppen lediglich als Puffer zwischen den Fronten stehen.

Die UNO würde mit diesem Verhalten gar ein Präzedenzfall schaffen. Sehen Sie das auch so?

Ja, auch in andern Konflikt-Gebieten würde man dann sagen: Die UNO ist zwar willkommen, um uns unliebsame Aufständische vom Leib zu halten und für eine minimale Stabilität zu sorgen, aber sie soll politisch bitte schön nicht intervenieren. Eine Regierung muss sich so politisch keinen Millimeter bewegen, um einen Konflikt einzufrieren. Eine nachhaltige Lösung ist das aber nicht.

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Warum übt die UNO nicht mehr Druck auf Marokko aus, sondern lässt sich im Gegenteil noch vor den Karren spannen, um völkerrechtswidrige Interessen durchzusetzen?

Marokko hat einige wichtige Mächte hinter sich, etwa die USA, Frankreich oder Spanien. Die Monarchie hält etwa die Migranten davon ab, mit den Booten übers Mittelmeer zu fahren. Mit Frankreich gibt es zudem eine enge, historische Beziehung zwischen dem Königshaus und dem Élysée. Und dann ist Marokko diplomatisch sehr versiert. Das Land konnte seine Interessen schon immer gut durchsetzen. Die Sahraoui hingegen sind ein kleines Volk. Und wichtig: Die Westsahara ist nicht eines jener Schlüsselländer – wie etwa Syrien –, wo alle sofort sehen, dass eine Lösung dringlich ist. Viele Länder können mit dem völkerrechtswidrigen Verhalten Marokkos leben. Es findet im Schatten der Schlagzeilen statt. Darum ist das einer der Konflikte, der sich schon ewig hinschleppt. Freiwillig wird Marokko nichts ändern: Das Land kann in der Westsahara auf Bodenschätze zugreifen, sie kann die fischreiche Meereszone vor der Westsahara nutzen. Marokko lebt also mit dem Status quo relativ gut.

Das Gespräch führte Christa Gall.

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