In Libyen sollen mehr als eine halbe Million afrikanische Flüchtlinge darauf warten, nach Europa zu gelangen. Das sagt die italienische Marine. Die grosse Zahl der Flüchtlinge hat mit den vielen Konflikten zu tun: Die Menschen kommen aus Syrien, Ägypten, Somalia, Mali und neuerdings auch aus Zentralafrika.
«Solange die Konflikte andauern, werden diese Menschen weiter nach Europa kommen wollen», sagt SRF-Italien-Korrespondent Massimo Agostinis. In den letzten Tagen gelangten erneut Tausende an die Küsten im Süden Italiens.
Innenminister Angelino Alfano berief einen Krisengipfel ein, und der Armeechef trat vor die Medien. Doch auch er weiss keine Lösung. «Der Admiral sagte, er könne nur seinen Job tun», so Agostinis. Dieser bestehe darin, die Flüchtlinge aus dem Meer zu ziehen, um so Tragödien zu verhindern – wie jene vergangenen Oktober, als ein Flüchtlingsboot vor Lampedusa kenterte und 300 Menschen ertranken.
Italiens Marine fängt die Flüchtlinge ab
Zurzeit kreuzt Italiens Marine mit fünf Schiffen durchs Mittelmeer und nimmt die Flüchtlinge auf ihre Schiffe auf. Nach Angaben der Marine bewährt sich dieses Vorgehen, wie Agostinis erklärt. Die Marine argumentiere, dass es seither keine grosse Tragödie mehr gegeben habe.
Die Marine ortet die Boote mit Satelliten, sobald diese in See stechen. Später rettet sie die Flüchtlinge dann aus dem Wasser. Nach Angaben der Marine wird durch die Operation «Mare Nostrum» auch Lampedusa entlastet: Denn die von den Schiffen aufgegriffenen Flüchtlinge können nun besser auf ganz Italien verteilt werden.
Admiral weist Kritik an Vorgehen zurück
Es gibt aber auch kritische Stimmen. So heisst es etwa, die Operation sei wie ein Magnet. Sie treibe noch mehr Menschen zur Flucht an, da sie wüssten, dass sie von den Italienern aus dem Meer geholt werden.
Der Admiral habe diesen Aussagen vor den Medien widersprochen, so Agostinis. «Er sagt, die Statistik zeige, dass schon vor dieser Operation sehr viele Flüchtlinge losgezogen seien. Wegen «Mare Nostrum» habe sich die Zahl der Flüchtlinge nicht erhöht, im Gegenteil, sie sei sogar leicht zurückgegangen – vielleicht auch wegen des Unglücks mit den 300 Toten vor Lampedusa.»
Neue Route über Libyen und Tunesien
Bis vor kurzem starteten viele Flüchtlinge ab dem ägyptischen Alexandria nach Italien. Heute benutzen sie wieder vermehrt die Routen über Libyen und Tunesien. «Die Italiener haben 66 ägyptische Schlepper gefasst. Sie sitzen in italienischen Gefängnissen», begründet Agostinis die Entwicklung.
In Libyen und Tunesien könnten die Italiener nicht zugreifen, weil hier die Schlepper nicht mit auf die Schiffe steigen. Die Distanz sei so kurz, dass die Schlepper den Flüchtlingen einfach ein Handy in die Hand drückten und sagten: «Fahrt einfach geradeaus!».